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stefan m. gergely

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setzen. Syme denkt weiter: »Wie könnte ein Leitsatz wie >Freiheit<br />

ist Sklaverei bestehen bleiben, wenn der Begriff >Freiheit< aufgehoben<br />

ist. Das ganze Reich des Denkens wird anders sein. Es wird<br />

überhaupt kein Denken mehr geben, wenigstens was wir heute darunter<br />

verstehen« (Lit. 45).<br />

Computer zwingen zu einer formalisierten Sprache. »1984« vor<br />

Augen, warnt Karl Steinbuch davor, daß die Computer in der Informationsverarbeitung<br />

zur Verwendung von Kunstsprachen zwingen<br />

- sie akzeptieren keine Vagheiten, und sie verstehen keine<br />

Wortspiele. Dazu komme, so Steinbuch, ein heute schon vielfach<br />

geübter semantischer Betrug, bei dem Worte der umgangssprachlichen<br />

Bedeutung entkleidet und in einem listig geplanten Sinne anders<br />

verwendet würden. Orwell illustriert das am Beispiel des Wortes<br />

»Freiheit« für eine tatsächlich ausgeübte Sklaverei - der dann<br />

alle zujubeln, weil sie Freiheit genannt wird. Freiheit bedeutet heute<br />

in der Sowjetunion etwas ganz anderes als hierzulande. Wer weiß,<br />

was Freiheit morgen oder übermorgen bedeuten wird? Kennzeichnend<br />

für Orwells »Neusprech« ist nicht nur eine auf Verarmung an<br />

Phantasie abzielende Vereinfachung der Sprache, sondern auch das<br />

Umdeuten von Begriffen und Löschen von Information. Während<br />

es heute in totalitären Staaten schwerfällt, die lobende Erwähnung<br />

von Politikern, die als Verräter in Ungnade fallen, von heute auf<br />

morgen aus Nachschlagewerken zu entfernen, ist dies für computerisierte<br />

Informationssysteme kein Problem. Ein elektronisches Lexikon,<br />

das über Bildschirmtext in jeden Haushalt geliefert werden<br />

kann, vermittelt einerseits den jeweils aktuellsten Stand, kann aber<br />

auch jederzeit im Sinne Orwells »umgeschrieben« werden. Nicht<br />

wenige Verleger von Büchern und Zeitschriften erwägen ernsthaft,<br />

vom Papier als Informationsträger ab- und zum Electronic publishing<br />

überzugehen. Die neuesten Nachrichten würden dann nicht<br />

mehr durch ein kompliziertes Verteilungssystem mit Flugzeugen,<br />

Lastwagen und Kolporteuren in jeden Winkel unseres Landes verteilt,<br />

sondern auf Knopfdruck aus einer Datenbank abgerufen und<br />

am Bildschirm abgebildet bzw. über einen Drucker doch noch zu<br />

Papier gebracht. Wissenschafter gehen diesen Weg als erste: Weil<br />

das Publizieren in Fachzeitschriften mit kleiner Auflage zu teuer geworden<br />

ist, experimentiert man derzeit in Großbritannien mit Publikationen,<br />

die eigentlich keine mehr sind. Der Forscher füttert<br />

seine neuen Ergebnisse in die Datenbank. Dort liegen sie für jedermann<br />

abrufbereit. Wenn sich niemand dafür interessiert, so argumentiert<br />

man, wären sie auch das Papier nicht wert gewesen, auf<br />

dem sie heute noch gedruckt werden.<br />

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