Der Menschenrechtsbericht der Stadt Graz 2009 - ETC Graz
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tung dar. Gesundheitliche Probleme wirken wie<strong>der</strong>um<br />
als Barrieren am Arbeitsmarkt, was den Ausbruch aus<br />
<strong>der</strong> Armut erschwert - ein Teufelskreis entsteht. 250<br />
Auch Arbeitslosigkeit stellt ein Gesundheitsrisiko dar:<br />
Arbeitslose Personen sind häufiger krank und leiden<br />
vermehrt an Depressionen o<strong>der</strong> körperlichen Beschwerden.<br />
Nach Auskunft <strong>der</strong> GKK entfielen im Jahr 2008<br />
11% <strong>der</strong> Krankenstandsfälle, aber 17% <strong>der</strong> Krankenstandstage<br />
auf arbeitslose Personen. Bei erwerbstätigen<br />
Personen dauerte ein Krankenstand im Schnitt 11,5<br />
Tage, bei arbeitslos Vorgemerkten bereits 18,2 Tage. Geschätzte<br />
3.100 Personen in <strong>Graz</strong> haben keine Krankenversicherung<br />
(Stand Beginn 2010). 251<br />
Nicht nur die Gesundheit ist ungleich verteilt, son<strong>der</strong>n<br />
auch <strong>der</strong> Zugang zu Gesundheitsleistungen: „Die letzten<br />
Jahre weisen auf einen starken Trend zu einer Zweiklassenversorgung<br />
im Gesundheitsbereich hin, <strong>der</strong> parallel<br />
zur gesellschaftlichen Entwicklung steht. Vermehrte<br />
Arbeitslosigkeit, starker Anstieg in Teilzeit- und Leiharbeit,<br />
Verschuldung und Privatkonkurse, chronische gesundheitliche<br />
Belastungen, aber auch die Zugehörigkeit<br />
zu einer Min<strong>der</strong>heitengruppe wie MigrantInnen und EU-<br />
BürgerInnen aus den südöstlichen Teilen Europas sind<br />
fast ein Garant geworden, dass die Spirale nach unten,<br />
in eine Chancenungleichheit im Gesundheitsbereich<br />
weiterbewegt wird. Auch in <strong>Graz</strong> wird diese Entwicklung<br />
vermehrt sichtbar. 252<br />
Neben einigen Arztpraxen in <strong>Graz</strong>, die sich über die gesetzliche<br />
Beistandspflicht hinaus auch für sozial Schwächere<br />
und nicht Krankenversicherte einsetzen 253 , ist vor<br />
allem die Caritas Marienambulanz eine zunehmend<br />
wichtige Gesundheitseinrichtung in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>. Sie<br />
leistet einen wichtigen Beitrag zur Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
sozialen und gesundheitlichen Chancenungleichheit in<br />
<strong>Graz</strong>. Die Caritas Marienambulanz bietet eine nie<strong>der</strong>schwellige<br />
allgemeinmedizinische Primärversorgung<br />
für unversicherte Menschen (In- und Auslän<strong>der</strong>Innen)<br />
o<strong>der</strong> illegal in Österreich lebende Menschen, aber auch<br />
für Versicherte, die einen erschwerten Zugang zum öffentlichen<br />
Gesundheitssystem haben. Die nach wie vor<br />
steigenden PatientInnenzahlen untermauern den steigenden<br />
Bedarf an nie<strong>der</strong>schwelligen medizinischen Versorgungseinrichtungen<br />
in <strong>Graz</strong>. Die Kontakte (Ordination<br />
inklusive nachgehen<strong>der</strong> Arbeit) haben sich seit dem<br />
Jahr 2003 von 3.883 auf 7.954 im Jahr 2007 mehr als<br />
verdoppelt und von 2007 auf <strong>2009</strong> mit 9.806 Kontakten<br />
wie<strong>der</strong>um um fast ein Viertel zugenommen. Die PatientInnenzahl<br />
in <strong>der</strong> Ordination belief sich im Jahr <strong>2009</strong><br />
auf 1.571 Personen aus 78 Län<strong>der</strong>n (weitere Zunahme<br />
5.3 Recht auf angemessene Lebensführung<br />
um 321 Personen gegenüber den berichteten Werten<br />
im Jahr 2007). 189 betreute Personen (rund 12%) hatten<br />
die österreichische Staatsbürgerschaft. <strong>Der</strong> Frauenanteil<br />
war relativ gleichbleibend gegenüber 2007 mit 34%,<br />
etwa 9% <strong>der</strong> PatientInnen waren Kin<strong>der</strong>. 842 Personen<br />
waren durchgehend versichert, 646 Personen (über<br />
40%) ohne Versicherungsschutz. Die PatientInnenzahl<br />
in <strong>der</strong> sozialpsychiatrisch nachgehenden Arbeit betrug<br />
658 (um 226 mehr als im Jahr 2007). <strong>Der</strong> Bereich <strong>der</strong><br />
medizinischen Beratung in <strong>der</strong> Anlaufstelle <strong>der</strong> Streetworker<br />
wies eine PatientInnenzahl von 262 (Anstieg von<br />
91 Personen gegenüber 2007) Personen auf. 254<br />
Ebenfalls gestiegen ist die GesamtklientInnenzahl <strong>der</strong><br />
OMEGA-Gesundheitsstelle (eine Beratungs-, Behandlungs-<br />
und Betreuungseinrichtung für Flüchtlinge und<br />
MigrantInnen). Diese belief sich im Jahr <strong>2009</strong> auf 1.111<br />
(davon 584 Erstkontakte) aus 86 verschiedenen Län<strong>der</strong>n.<br />
<strong>Der</strong> Frauenanteil betrug 48%. 255<br />
Die Zahl <strong>der</strong> intravenös verabreichenden Drogenkranken<br />
wird vom Kontaktladen in <strong>Graz</strong> auf rund 1.500 bis 2.000<br />
geschätzt. 256 Im Caritas-Kontaktladen erfahren die KlientInnen<br />
im anonymen und nie<strong>der</strong>schwelligen Rahmen<br />
professionelle psychosoziale Betreuung und Beratung<br />
und können lebenspraktische Hilfen in Anspruch<br />
nehmen. Großer Wert wird im Kontaktladen auf die<br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung wie die Möglichkeit des Spritzentauschs<br />
und <strong>der</strong> medizinischen Versorgung (in Kooperation<br />
mit <strong>der</strong> Caritas-Marienambulanz), gelegt. 257 Im Rahmen<br />
<strong>der</strong> ärztlichen Untersuchung wurde ermittelt, dass<br />
je<strong>der</strong> Zweite <strong>der</strong> oben genannten Drogenkranken Hepatitis<br />
aufweist, wobei ohne Spritzenaustauschprogramm die<br />
Situation noch dramatischer wäre. Im Jahr <strong>2009</strong> tauschten<br />
die Drogenkranken im Kontaktladen mehr als 300.000 benutzte<br />
Spritzen gegen sterile Sets. Auf Grund <strong>der</strong> enormen<br />
Infektionsgefahr wird <strong>der</strong> Ruf nach Konsumräumen als Alternative<br />
zu öffentlichen Toiletten lauter. 258<br />
Die Geriatrischen Gesundheitszentren <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong><br />
(GGZ) haben in den letzten Jahren und somit auch im<br />
Jahr <strong>2009</strong> in Infrastrukturprojekte (z.B. Albert Schweitzer<br />
Klinik I und II, Hospiz, Begegnungszentrum, PWH Geidorf/SeniorInnenzentrum,<br />
Betreutes Wohnen) und auch<br />
in Dienstleistungsprojekte investiert, um die Rahmenbedingungen<br />
für die BewohnerInnen und PatientInnen<br />
zu verbessern. Die Gebäude sind großzügig angelegt<br />
und ermöglichen somit das Mitbringen persönlicher<br />
Erinnerungsstücke. Die Privatsphäre wird gewahrt, es<br />
gibt ausschließlich Ein- bzw. Zweibettzimmer, die Essenszeiten<br />
sind jenen des Alltagslebens angepasst, die<br />
250 Vgl. Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Tabellenband, s. 32ff. zitiert in: Institut für Arbeitsmarktbetreuung und Forschung Steiermark, Armut in <strong>Graz</strong>, Erster Armutsbericht<br />
<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Sozialamt <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Juni 2010, S. 59. – 251 Ibid. – 252 Institut für Arbeitsmarktbetreuung und Forschung Steiermark, Armut in <strong>Graz</strong>, Erster<br />
Armutsbericht <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Sozialamt <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Juni 2010, Gastbeitrag Christine An<strong>der</strong>wald, Caritas Marienambulanz, S. 62. – 253 Vgl. Institut für Arbeitsmarktbetreuung<br />
und Forschung Steiermark, Armut in <strong>Graz</strong>, Erster Armutsbericht <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Sozialamt <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Juni 2010, S. 60. – 254 Vgl. Caritas Marienambulanz, Beitrag<br />
zum <strong>Menschenrechtsbericht</strong> <strong>2009</strong>. – 255 Vgl. OMEGA Gesundheitsstelle, Jahresbericht <strong>2009</strong>, S.12. – 256 Vgl. Die Woche vom 28.04.2010, Je<strong>der</strong> Zweite hat Hepatitis,<br />
S. 4. – 257 Vgl. Caritas Diözese <strong>Graz</strong> Seckau, Streetwork im Drogenbereich und Kontaktladen, online unter http://streetwork.caritas-steiermark.at/ (20.08.2010). – 258 Vgl.<br />
Die Woche vom 28.04.2010, Je<strong>der</strong> Zweite hat Hepatitis, S. 4.