Der Menschenrechtsbericht der Stadt Graz 2009 - ETC Graz
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7.1 Kin<strong>der</strong>rechte in <strong>Graz</strong><br />
<strong>Graz</strong> hat mit seinem „Welcome-Projekt“ zur Unterbringung<br />
von min<strong>der</strong>jährigen Flüchtlingen einen österreichweit<br />
positiven Standard gesetzt, dem die an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong><br />
langsam gefolgt sind.<br />
Jetzt setzen <strong>Graz</strong> und das Land Steiermark einen neuen,<br />
negativen Standard, sowohl mit <strong>der</strong> nicht-flüchtlingskonventions-konformen<br />
Unterbringung von Jugendlichen<br />
als auch mit den äußerst rigiden Altersüberprüfungen<br />
und mit den nach wie vor stattfindenden In–Schubhaft-<br />
Nahmen von min<strong>der</strong>jährigen Flüchtlingen – mindestens<br />
drei Gründe, als Menschenrechtsstadt sofort gegensteuernd<br />
aktiv zu werden.<br />
„Rampen, Rillen und Rollstuhlrallye“ –<br />
„Je<strong>der</strong> soll Ideale haben“ – „Schwachstelle“<br />
(SmZ, 10. 3. 2010, BHAK Deutschlandsberg)<br />
Artikel 23: <strong>Der</strong> Schutz und die Rechte von Kin<strong>der</strong>n mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung<br />
Artikel 30: Die Rechte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> aus Min<strong>der</strong>heiten<br />
Artikel 24: Das Recht auf Gesundheit(sversorgung)<br />
„Egal, ob behin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> nichtbehin<strong>der</strong>t, für mich sind<br />
alle Menschen gleich.“<br />
„Die Integration behin<strong>der</strong>ter Menschen soll mehr geför<strong>der</strong>t<br />
werden.“<br />
„Mit behin<strong>der</strong>ten Menschen zu leben, heißt Behin<strong>der</strong>ung<br />
zu verstehen.“<br />
„Ich habe gelernt mit behin<strong>der</strong>ten Menschen umzugehen<br />
und sie zu verstehen.“<br />
„Meine Behin<strong>der</strong>ung ist für mich normal und kein Hin<strong>der</strong>nis.“<br />
393<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung leben auch in <strong>Graz</strong>, je nach<br />
Zählweise ca. 10 % <strong>der</strong> Bevölkerung – das gilt auch für<br />
die 0- bis 18- (bzw. 21-)Jährigen. Die Behin<strong>der</strong>ungsarten<br />
sind vielfältig; die Behin<strong>der</strong>ungen, die Menschen in ihrer<br />
Entwicklung durch eine unachtsame und diskriminierende<br />
soziale und städtische Umgebung erfahren müssen,<br />
sind ebenso zahlreich und vielfältig.<br />
<strong>Der</strong> Unabhängige österreichische Monitoringausschuss<br />
zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte von<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zeigt in seinem Bericht<br />
einige Schwächen auf 394 :<br />
Empfehlungen<br />
Folgende Defizite müssen behoben werden:<br />
- Die vom Kin<strong>der</strong>rechte-Komitee gefor<strong>der</strong>te „maximum<br />
inclusion of children with disabilities in society“ (CRC,<br />
General Comment 9, Abs. 11) ist in Österreich nicht<br />
95<br />
verwirklicht und in <strong>der</strong> Verwaltungspraxis nicht implementiert.<br />
- Obzwar es Integrationsklassen gibt, sind Son<strong>der</strong>schulen,<br />
Heime und an<strong>der</strong>e Einrichtungen, die eine Segregation<br />
und Exklusion zur Folge haben, nach wie vor<br />
Standard.<br />
- Es gibt kein durchgängiges inklusives Vorschulsystem,<br />
denn nicht alle Kin<strong>der</strong>tagesheime sind – barrierefrei<br />
und personaltechnisch – für Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen<br />
ausgestattet.<br />
- Da nicht alle Kin<strong>der</strong>tagesstätten für die Betreuung von<br />
Kin<strong>der</strong>n mit Behin<strong>der</strong>ungen eingerichtet sind, müssen<br />
diese oft längere Anfahrtswege in Anspruch nehmen,<br />
was negative Konsequenzen insbeson<strong>der</strong>e für<br />
erwerbstätige Eltern hat.<br />
- Es gibt im Schulpflichtgesetz (§ 8a) kein gesetzlich verankertes<br />
und durchsetzbares Recht auf den Besuch einer<br />
integrativen (inklusiven) Schule vor Ort. Oft wird<br />
mit dem Argument <strong>der</strong> vorgeblich besseren För<strong>der</strong>möglichkeit<br />
Son<strong>der</strong>schulen <strong>der</strong> Vorzug vor integrativen<br />
Modellen gegeben.<br />
- Schwerhörigen und gehörlosen Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
wird nach wie vor vorrangig die Lautsprache vermittelt.<br />
Wiewohl die Verfassung die Gebärdensprache<br />
als eigenständige Sprache anerkennt, gibt es in <strong>der</strong><br />
Praxis kaum Schulunterricht auf Basis <strong>der</strong> österreichischen<br />
Gebärdensprache (ÖGS).<br />
- Für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit „son<strong>der</strong>pädagogischem<br />
För<strong>der</strong>bedarf“, <strong>der</strong>en Bildung ausschließlich<br />
bis zur 12. Schulstufe verlängert werden kann (alle an<strong>der</strong>en<br />
dürfen um bis zu 5 Jahre „verlängern“), muss<br />
diese in einem son<strong>der</strong>pädagogischen Zentrum bereitgestellt<br />
werden, ein Wechsel in das Regelschulsystem<br />
ist nicht möglich.<br />
- In den entwicklungspsychologisch wichtigen Lebensjahren<br />
von 1 bis 5 warten Kin<strong>der</strong> bis zu 2,5 Jahre auf<br />
einen Therapieplatz.<br />
- In den Medien kommen Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit Behin<strong>der</strong>ungen<br />
selten vor – ein Spiegelbild <strong>der</strong> Grundtendenz<br />
zu segregieren.<br />
- Dem medizinischen Modell folgend wird in Österreich<br />
Pflegegeld bereitgestellt, nicht jedoch ein Anspruch<br />
auf Dienstleistungen o<strong>der</strong> finanzielle Unterstützung im<br />
Sinne von persönlicher Assistenz.<br />
- Pflegegeldzusatzergänzungsleistungen“ sind ein Zusatz<br />
zu einer laufenden Pflegegeldleistung, diese ist<br />
jedoch nur für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung<br />
vorgesehen.<br />
- Trotz einzelner staatlicher Geldleistungen (Pflegevorsorge,<br />
erhöhte Familienbeihilfe) ist die Unterstützung<br />
behin<strong>der</strong>ter Kin<strong>der</strong> und Jugendlicher mangelhaft und<br />
392 For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaft Steiermark an die Landesregierung, <strong>Graz</strong>. <strong>2009</strong> – 393 „Rampen, Rillen, Rollstuhlrallye“. Zitate von SchülerInnen; Schüler-<br />
Innen machen Zeitung, 10. März 2010, BHAK Deutschlandsberg über BEHINDERUNG. – 394 Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention über<br />
die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen. Stellungnahme zur Umsetzung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rechtskonvention in Österreich (Periodic Report in accordance with Article 44 CRC)<br />
für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit Behin<strong>der</strong>ungen; Wien, Juni <strong>2009</strong>.