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PDF-Format - Hans Joachim Teschner

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nahm sie ihre verbogene Hacke und kratzte in dem kleinen Garten hinter<br />

der Hütte herum. Nach einer Weile warf sie die Hacke hin und ging in<br />

ihre Hütte. Es hatte keinen Zweck. Halbherzig holte sie die Schnippel<br />

hervor. Vielleicht konnte sie ja den Ausweis wieder zusammensetzen.<br />

Geduldig puzzelte und probierte sie, bis ihr endlich das Kunstwerk<br />

gelang: alle vier Seiten waren wieder gerade, und alle Schnippel passten<br />

nahtlos aneinander. Schnell klebte sie die Teile fest, damit ihre Mühe<br />

nicht umsonst gewesen war. Dann versuchte sie, den Inhalt zu lesen.<br />

Wie groß war ihre Verwunderung, als sie feststellte, dass sie die<br />

Schrift mühelos entziffern konnte! Um wieviel größer aber war ihr<br />

Schreck und ihr ungläubiges Staunen, als sie den Inhalt las: Dies ist der<br />

Ausweis von Schneider Zippel aus Wabbelanien. Zippel ist als Spion<br />

unterwegs, um das Versteck des Wabbelsteins auszukundschaften. Der<br />

Besitzer dieses Ausweises hat freie Fahrt durch Stachelland.<br />

Zuerst glaubte Rosalinde an einen Witz, an einen Karnevalsscherz.<br />

Dieser Fetzen Papier war einfach zu lächerlich, die Ausgeburt einer Kin-<br />

derphantasie. Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die<br />

kostbaren Nähnadeln, die leuchtende Nähseide und dann erst Rippels<br />

weiche Schneiderweste, in die sie sich hineingeschmiegt hatte! Rippel<br />

war also ein Wabbelanier und hieß in Wirklichkeit Zippel. Das also war<br />

der Grund für ihre unerklärliche Furcht: sie hatte sich mit einem Erzfeind<br />

Stachellands angefreundet!<br />

Aber diese Wabbelanier schienen ja ganz anders zu sein, als hier<br />

immer mit bösem Hass erzählt wurde. Wenn alle so wären wie dieser<br />

Zippel, der, statt ihre Tür einzutreten, sich in einem hilflosen Trotz vor<br />

ihre Hütte gelegt hatte?<br />

Rosalinde errötete bei der Erinnerung an den schlafenden Schneider.<br />

Nie würde er erfahren, dass sie ihn mit einem Kuss geweckt hatte. 'Wer<br />

mag wohl Melanie sein', dachte Rosalinde und fühlte sich zurückgestos-<br />

sen, 'vielleicht seine wabbelanische Freundin oder sogar seine Frau, die<br />

sich um ihn ängstigt und auf ihn wartet.'<br />

Noch einmal nahm Rosalinde sich das Papier vor. Was für unglaublich<br />

harmlose Gemüter mussten die Leute haben, die solch ein verräterisches<br />

Blatt entworfen hatten. Rosalinde musste lachen: seine Wirkung hatte<br />

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