PDF-Format - Hans Joachim Teschner

Zippels Traum
Ein glühendes Augenpaar stürzte vom sternenlosen Himmel. Kurz vor
dem steifen Körper Zippels schwenkte die Fledermaus scharf ab und ver-
schwand im Zickzackflug im Dunkel der Nacht. In der Ferne heulte ein Wolf
auf. Ein unregelmäßiges Klirren und Knacken zeugte vom heimlichen Trei-
ben im Schutz der Dämmerung: Ratten und Echsen huschten über das
Pflaster der Straße und stießen an Glasscherben und Nägel, die überall
verstreut herumlagen. Ein schmutziggrauer Bodennebel bedeckte wie ein
Leichentuch die unbestellten und verwahrlosten Felder. Am Straßenrand
und in den Gräben verfaulte Unrat und Müll und vermischte die Nebelbrühe
mit einem schwefligen Verwesungsgestank.
Wie betäubt lag Zippel am Straßenrand, halb aufgerichtet an seinem
Bauchladen, der seinen Rücken stützte. Mit schweren Atemzügen sog er
den stachelländischen Pestgeruch in seine Lungenflügel, um tiefer und
tiefer in die Bewusstlosigkeit zu sinken. Ein Traum ohne Sinn und Handlung
quälte sein Gemüt in einem Wechselbad aus Angst, Hoffnung, Freude und
Schrecken.
Er sieht Melanie auf sich zuschweben mit ihren verführerischen Lippen.
Sie öffnet den Mund. Eine mit grünem Schleim bedeckte Zunge quillt her-
vor und spuckt rostige Nägel auf das Pflaster. Königin Wabbeline bückt
sich danach und hebt zwei drollige Möpse vom Boden. Bei der Berührung
versteinern sie zu unförmigen Felsklumpen, die das Aussehen von zwer-
genhaften Zyklopen annehmen. Mit einem spitzen Schrei lässt Wabbeline
die verwandelten Möpse fallen. Beim Aufschlag reisst die Erde auseinan-
der. Schwefliger Qualm wabert aus der Spalte, und eine Riesenschildkröte
kommt über den Rand gekrochen, angetrieben von einem wie verrückt
galoppierenden Umbo von Bumbo. Kommandant Lanzetto stellt sich ihm in
den Weg. Schläfrig öffnet die Schildkröte ein Lid, welches ein schillerndes
Facettenauge freigibt. Ööüüöö, röhrt das Tier, und Umbo von Bumbo knallt
mit einer siebenschwänzigen Bullenpeitsche auf Lanzetto ein. Die Enden
der Peitsche züngeln wie die Schlangenarme der Zyklopen hin und her. Mit
einem Stiefel Honigbier tritt Bimballo an den Reiter. Dieser säuft mit einem
einzigen Schluck das Glas leer und verwandelt sich nacheinander in einen
meckernden Brutus Ranzig, den schwankenden Hübeldübel und schließlich
in Königin Wabbeline. Aber sie lebt nur zum Schein, kann sich von ihrem
Sockel nicht fortbewegen und wird von dem nervös herumhüpfenden Felix
Kräuselohr mit einem schwarzen Laken bedeckt. Da ertönen alle Glocken