PDF-Format - Hans Joachim Teschner
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Ein wüstes Gelage<br />
»Stech dich, Krtzkrr!«<br />
Brutus Ranzig verbeugte sich, so gut es seine schiefe Gestalt zuließ.<br />
Herablassend winkte Generalissimo Krtzkrr Krieger den Dieb des Wabbel-<br />
steins zu sich und spie einen Schwall Scherben auf die schmutzigen Dielen.<br />
Sie befanden sich im Spiegelsaal der Stachelburg. An den roh behaue-<br />
nen Wänden zeugten zersplitterte Spiegel und zerfetzte Vorhänge von den<br />
ungezügelten Wutausbrüchen des Diktators. Von der Decke hingen<br />
Wäscheleinen, an denen einige verrostete Kerzenhalter notdürftig befestigt<br />
waren. Unförmige, dickbäuchige Kerzen blakten und rußten darin und<br />
schwärzten die Spinnweben und Mottennester an der Decke. Ein struppiger<br />
erbeuteter Adventskranz hatte die Anfälle des Generals überlebt und ließ<br />
seine vertrockneten Nadeln auf die strähnigen Haare der Soldaten fallen.<br />
Der Boden war übersät mit Scherben, Nägeln, Fischgräten und fauligen<br />
Essensresten. Quiekend stoben fette Ratten durch den Unrat und verbissen<br />
sich im Kampf um die madige Beute.<br />
Wohl an die fünfzig Soldaten waren eingeladen worden, um den Raub<br />
des Wabbelsteins zu feiern. Sie lümmelten auf angeknacksten Stühlen und<br />
Obstkisten herum, die als Sitzgelegenheiten im Saal verstreut herumlagen.<br />
Ein von Messer- und Beilhieben verunstaltetes Eichenbrett diente als Tisch.<br />
Wer nun eine prunkhafte Festtafel erwartet hatte, wurde schnell eines Bes-<br />
seren belehrt: lediglich ein Kübel mit dem billigsten Fuselschnaps thronte<br />
auf der Bohle. Etwas anderes schienen die Soldaten aber auch nicht erwar-<br />
tet zu , haben, denn jeder hatte einen verbeulten Blechnapf mitgebracht,<br />
mit dem er die hochprozentige Tunke schöpfen konnte.<br />
Am Fuß des Tisches hatte die Militärjunta Platz genommen. Neben<br />
Oberst Speiteufel sah man den Leibwächter des Diktators, Hauptmann<br />
Bleifuß. Dieser hatte seinen Namen von seiner Beinprothese, die er mit<br />
Blei hatte ausgießen lassen. Mit einer solch furchtbaren Waffe ausgestat-<br />
tet, konnte er Türbohlen, Lanzen und Mauern zertrümmern. Wer sich ihm<br />
in den Weg stellte, wurde rücksichtslos niedergestampft. Abgesehen von<br />
dieser Besonderheit verfügte Bleifuß über enorme Körperkräfte. Selbst sei-<br />
nen glatzköpfigen Schädel benutzte er als Rammbock. Kein Wunder also,<br />
dass Krtzkrr Krieger ihn zum Leibwächter ernannt hatte.<br />
Wer die stachelländischen Verhältnisse nicht gekannt hätte, würde die<br />
hagere Gestalt neben Bleifuß vermutlich übersehen haben. Mochte man sie<br />
beim flüchtigen Hinsehen zunächst noch für unscheinbar, ja unbedeutend