PDF-Format - Hans Joachim Teschner
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Das Zusammentreffen<br />
Nichts deutete an diesem Tag auf ungewöhnliche Ereignisse hin. Wie<br />
immer hatten sich die Händler und Marktfrauen um die Bretter und Kisten<br />
gestritten, die sie für ihre provisorischen Stände benötigten. Das habgieri-<br />
ge Kreischen und Keifen erfüllte den Stachelmarkt, und wie am Vortag ver-<br />
zogen sich Rosalinde und Zippel zum hinteren Ende des Platzes. Es dauerte<br />
auch nicht lange, bis sich das widerwärtige Männchen einfand, der seinen<br />
Schweinekoben hinter sich herschleppte und Kaldaunen, Pansen und<br />
Schweineklauen vor sich ausbreitete.<br />
Der Vormittag verrann. Kein stachelländischer Soldat steckte seine Nase<br />
in das Treiben. Zippel blickte immer häufiger auf die Uhr und zupfte nervös<br />
an seinen Ärmeln. Er schlug den Deckel seines Bauchladens auf und mus-<br />
terte zum hundertsten Male seinen Besitz. Als er wieder aufschaute, blickte<br />
er direkt in die verschlagenen Augen eines Kloakiers, der einen abscheuli-<br />
chen Geruch ausdünstete.<br />
»Ist wohl geheim?« hechelte der Kloakier und versuchte lüstern, in die<br />
Kiste zu schielen. Zippel warf den Deckel zu und spuckte den Fremden an.<br />
Meckernd wandte der sich um und nahm Rosalinde in Augenschein.<br />
»Sieh da, sieh da«, grinste er anzüglich, »eine stachelländische Honig-<br />
kuchenbäckerin. Mal sehen, ob sie auch so süß schmeckt wie ihre Waren.«<br />
Dabei kniff er sie in den Arm und reckte seinen ungewaschenen Hals vor,<br />
um ihr mit seinen sabbernden Lippen und seinen schwarzen verfaulten<br />
Zähnen einen Kuss aufzudrücken. Zippel spürte eine unerklärliche Wut in<br />
sich aufsteigen. Er sprang den Kloakier an, puffte ihn und stach ihn mit<br />
seiner Ersatznadel in den Schenkel. Vor Schmerz jaulte dieser wie ein<br />
getretener Hund auf und flüchtete fluchend in den Trubel des Stachelmark-<br />
tes.<br />
Rosalinde fand keine Zeit mehr, Zippel zu danken. Ein Höllenlärm brach<br />
über den Stachelmarkt herein. Kreischend hasteten entsetzte Marktfrauen<br />
an ihnen vorüber, ihre gesamte Habe zurücklassend. Auf der anderen Sei-<br />
te, am Eingang des Platzes wütete Krtzkrr Krieger und seine betrunkene<br />
Soldateska. Grölend und spuckend walzten sie die Stände nieder und fielen<br />
über die ausgebreiteten Waren her. Wer von den Marktfrauen nicht mehr<br />
rechtzeitig hatte flüchten können, wurde von den Soldaten gepackt, an<br />
den Haaren gerissen, gepiesackt, getreten und mit fletschenden Zähnen<br />
geküsst, bis die Lippen bluteten. Besonders tollwütig gebärdete sich<br />
Geheimrat Ziegenlippe, der sich im Schutz von Hauptmann Bleifuß und sei-