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PDF-Format - Hans Joachim Teschner

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Der Lohn der Gier<br />

Rosalindes Ahnungen, dass Krtzkrr Krieger etwas Grausames vorhat-<br />

te, bewahrheiteten sich in einem ganz anderen Sinn, als sie es sich je<br />

vorstellen konnte. Und nie würden sie und die Wabbelanier erfahren,<br />

was sich unten in der Tropfsteinhöhle abspielte, während oben im Spie-<br />

gelsaal der ungleiche Kampf tobte. Tief im Erdinneren, hundertvierzig<br />

Stufen abwärts, war die Natur außer Rand und Band geraten. Eisige<br />

Regenfälle strömten von den Kuppeln der Höhle, verdampften noch im<br />

Fall zu Wolken und Schwaden, die wabernd durch die Gewölbe trieben.<br />

Die Salzkegel, -türme und -zapfen waren zu mächtigen Stämmen ange-<br />

wachsen, die durch die munter plätschernden Rinnsale ständig zunah-<br />

men. Wie Tempelsäulen reihten sich die Salzgebilde aneinander, und die<br />

schmalen Gänge zwischen ihnen verengten sich zusehends. Viele der<br />

Säulen waren durch den starken Salzzufluss bereits so verdickt, dass sie<br />

sich mit den Nachbarsäulen vereinigten und einen undurchdringlichen<br />

Palisadenzaun bildeten. In den Kuppeln gewitterte ein Krachen und Rei-<br />

ßen, und wer genauer hingeschaut hätte, hätte zu seinem Entsetzen<br />

bemerkt, dass die Decke bebte und knarzte, dass mit gequältem Krei-<br />

schen die Felsen auseinanderrissen und aus den gezackten Spalten Eis-<br />

brocken polterten, die wiederum Bäche von Eiswasser freigaben. Die<br />

kathedralenartige Höhle, die durch den übermäßigen Salzwuchs schon<br />

merklich enger und kleiner geworden war, wurde von einer grellen glei-<br />

ßenden Lichtquelle erhitzt. Es konnte sich nur um den Wabbelstein han-<br />

deln, der die rasende Wachstumsbeschleunigung hervorrief. Und tat-<br />

sächlich war die Öffnung des Verstecks freigelegt worden, das Loch leer.<br />

Mit weit aufgeschlagenem Deckel ruhte der Schrein auf einem felsigen<br />

Altar, und das funkelnde Licht des Wabbelsteins warf seine elektrisieren-<br />

den Strahlen durch den unterirdischen Dom. Vor dem Schrein hockte ein<br />

uralter Mann. Schlohweiße Haare fielen ihm von den Schultern, und ein<br />

verfilzter grauer Bart verdeckte seine Brust. Wie versteinert verharrte<br />

der Greis in seiner verkrümmten Stellung. Nur ein trockenes Beben sei-<br />

ner Lippen verriet, dass sein Herz noch schlug, sein Blut noch nicht<br />

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