PDF-Format - Hans Joachim Teschner
PDF-Format - Hans Joachim Teschner
PDF-Format - Hans Joachim Teschner
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Füßen die wackelige Konstruktion ein und ließ alles so liegen, wie es<br />
zusammengebrochen war. Am nächsten Tag suchte man sich gierig die am<br />
besten erhaltenen Stücke heraus und knotete sie mit einer Wäscheleine zu<br />
einem Tresen zusammen, der ebenfalls nur den Vormittag überlebte. Einen<br />
soliden Verkaufsstand herzurichten und für Dauer aufzustellen, machte bei<br />
der stachelländischen Wesensart keinen Sinn: schon nach wenigen Minuten<br />
würden sich die neidischen Nachbarn wie Aasgeier über den Stand herma-<br />
chen, um die fette Beute in ihre unersättlichen Krallen zu bekommen.<br />
Zippel sah nun manches klarer.<br />
'Kein Wunder', dachte er, 'dass alles verkommen und vernachlässigt ist.<br />
Redliche Arbeit ist hier wohl ein Schimpfwort. Da bleibt nur das Rauben<br />
und Stehlen. Und wer einmal ein gutes Stück ergattert hat, einen Pelz viel-<br />
leicht oder ein paar glänzende Stiefel oder auch eine solide Haustür, der<br />
muss von da an ständig um sein Eigentum fürchten. Da lässt man lieber<br />
gleich alles verkommen. Ist halt bequemer so. Deshalb auch die vergam-<br />
melte Ware, die löchrigen Socken, die Schimmelpilzkulturen. Mit einem gut<br />
ausgerüsteten Sortiment erstklassiger Produkte würde man sich in Lebens-<br />
gefahr begeben.'<br />
Mühselig schob sich Zippel durch die Menge auf der Suche nach einem<br />
freien Platz, wo er sich aufstellen konnte. Zwar erblickte er hie und da eine<br />
Lücke, doch die keifende Nachbarschaft ließ seinen Schritt beschleunigen.<br />
Schon lagen sich die ersten Käufer in den Haaren und prügelten sich um<br />
ein vermeintliches Schnäppchen.<br />
Zum anderen Ende des Platzes nahm die Dichte und das gewinnsüchti-<br />
ge Feilschen merklich ab. Allerdings kamen hier auch nicht so viele Leute<br />
her. Vielleicht, weil sie in ihrer unmäßigen Gier gleich am Anfang alles mit-<br />
nehmen wollten, was einen Vorteil versprach. Wie von ungefähr betrat Zip-<br />
pel eine Lücke zwischen zwei Ständen. Das eigenartige Gefühl beschlich<br />
ihn, als habe irgendeine geheime Macht ihn hierher gelockt. Jedenfalls<br />
fühlte er sich mit einem Mal etwas wohler, und er stellte seinen Bauchladen<br />
auf zwei leere Obstkisten, die noch frei herumlagen. Nun schaute er sich<br />
um, seine Nachbarn in Augenschein zu nehmen. Links von ihm hockte ein<br />
unglaublich hässliches Männlein auf einem Schweinekoben und pries Där-<br />
me, Schweineaugen, Innereien und ungeschabte Schwarten an. Alles war<br />
mit Kot besudelt. Missgünstig lutschte der gnomenhafte Händler an einer<br />
abgekauten Stummelpfeife. Abwechselnd steckte er seinen Finger zum<br />
Stopfen in den Pfeifenkopf und dann in seine eklige Ware, um zu prüfen,<br />
ob etwa Ratten oder Würmer ihn um seinen Gewinn prellen wollten. Ange-<br />
widert wandte sich Zippel ab.