PDF-Format - Hans Joachim Teschner

sie zur Seite. Eine dunkle Öffnung wurde sichtbar. Krieger kniete nieder
und kroch in die Öffnung. Nach einer Weile kam er rückwärts wieder
hervorgekrochen. In den Händen hielt er den Schrein des Wabbelsteins,
eine über und über mit Verzierungen ausgeschlagene goldene Truhe, die
etwa die Größe von Zippels Bauchladen hatte.
Schon beim Anblick des kostbaren Schreins fiel Zippel in eine ehr-
fürchtige Bewunderung. Der matte Glanz des Goldes verlieh der feuch-
ten Höhle mit ihren leblosen Salzgebilden eine festliche Stimmung. Krie-
ger stellte den Schrein auf den Boden. Vorsichtig hob er den Deckel. Ein
gleißender Lichtstrahl brach aus der Truhe und tauchte die Höhle in eine
glühende Helligkeit. Geblendet schlug Zippel die Hände vor die Augen.
Eine plötzlich aufwallende Hitze brachte die Salzlake zum Kochen. Tau-
sendfach warfen die glitzernden Kristalle der Salzsäulen das Licht an die
Felswände. Schlagartig vermehrte sich die Tropfenflut. Wie ein Monsun-
regen kam das Wasser herunter. Viele Tropfen verdampften schon, bevor
sie den Boden erreichten. Mit sichtbarer Geschwindigkeit verdickten sich
die Salzzapfen und -türme. Zippel fühlte ein Kribbeln und Kratzen an
seinen Bartstoppeln, die ihm neuerdings im Gesicht sprießten. Seine
Haare und Fingernägel fingen zu wachsen an, arbeiteten sich juckend
aus seiner Haut! Allmählich gewöhnten sich Zippels Augen an die Hellig-
keit. Der Schrein war mit purpurnem Samt ausgeschlagen. Auf ihm ruh-
te ein Edelstein von lupenreiner Klarheit. Aus dem Inneren des Steins
leuchtete ein gleißendes Sonnenlicht. Sechs absolut plan geschliffene
Flächen strahlten das Feuer in ständig wechselnden Farben ab. Glaubte
man eben noch, den kostbarsten Diamant zu erblicken, so wandelte sich
der Stein übergangslos in einen grünen Smaragd, ging in einen honig-
gelben Bernstein über, schlug um in das glühende Rot eines Rubins, um
schlagartig in das stille Blau eines Türkis zu fallen. Für einen kurzen
Moment leuchteten die sechs Flächen in verschiedenen Farben gleichzei-
tig, so, als wolle der Wabbelstein alle Edelsteine der Erde in sich verei-
nen, den Bergkristall mit dem Mondstein, den Amethyst mit einem Opal,
den Saphir mit einem Rosenquarz und den Onyx mit Jade und Lapislazu-
li. Gebannt verfolgte Zippel das Schauspiel, vergaß seine Umgebung,
seinen Auftrag, fühlte sich am Ziel und Endpunkt seines Lebens und sei-
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