PDF-Format - Hans Joachim Teschner
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aber schienen seine Gedanken woanders zu sein. Und als Melanie die<br />
junge Stachelländerin erblickte, erfasste sie mit weiblicher Intuition die<br />
Beziehungen zwischen den beiden. Sie lief zu Rosalinde, nahm sie beim<br />
Arm und zerrte die Widerstrebende aus dem Gastraum in das erste<br />
Stockwerk, wo Melanie es sich wohnlich eingerichtet hatte.<br />
Bimballo ließ vier Stiefel Honigbier volllaufen. Die drei Helden hatten<br />
viel zu erzählen. Plumplum hatte die Kiste in eine Ecke gestellt. »Habt<br />
ihr die Nägel und Nadeln wieder mitgebracht?« fragte Bimballo.<br />
»Es ist nur der Wabbelstein«, antwortete Hübeldübel, als spräche er<br />
von einem zerknüllten Blatt Papier.<br />
»Ach so, wenn's weiter nichts ist.«<br />
Die Freunde fingen zu wabbeln an. Endlich wieder ungehindert wab-<br />
beln! Vom oberen Stockwerk hörten sie ein Plätschern und Kichern.<br />
Die Turmuhr schlug schon zwölf, als die Frauen wieder herunterka-<br />
men. Melanie hielt die Tür auf, um Rosalinde durchzulassen. Entgeistert<br />
starrten die Helden auf das Wesen, das hereinspaziert kam. Fast hätten<br />
sie die junge Frau mit den goldgelben Haaren nicht wiedererkannt. Sie<br />
duftete nach Lavendel und Rosenöl. Unter dem Seifenschaum hatten<br />
sich ihre schmutzigen Strähnen in weiche Locken verwandelt, ihre<br />
staubgraue Haut war einer frischen gesunden Farbe gewichen. Rosalinde<br />
trug das schönste Kleid Melanies, das allerdings im Rücken mit Nadeln<br />
zusammengesteckt war. Ein verschmitztes Lächeln erhellte ihr Gesicht.<br />
Beim Baden hatte Melanie ihr so allerlei Lustiges erzählt, und wie sie mit<br />
den Männern umsprang. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie heraus-<br />
fanden, dass sie beide einen Hang zum Spötteln und Lästern hatten.<br />
Aber auch Ernstes kam zur Sprache, und Melanie hatte endlich eine ver-<br />
ständnisvolle Zuhörerin für ihr Probleme und Ängste gefunden. Denn sie<br />
fürchtete selbst schon, dass sie als vertrocknete Jungfrau enden würde,<br />
wenn sie sich nicht bald für einen Mann oder ein anderes Leben ent-<br />
scheiden würde.<br />
Rosalinde hatte ihre ruhigen blauen Augen auf Zippel gerichtet. Alle<br />
Zweifel waren gewichen. Wie damals auf dem Stachelmarkt wurde ihm<br />
siedend heiß. Er fasste sich ein Herz und trat an sie heran. Da flog sie<br />
auch schon an seine Brust. Zippel umschlang sie mit seinen sehnigen<br />
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