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PDF-Format - Hans Joachim Teschner

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An der Grenze<br />

Nach einem traumlosen, bleischweren Schlaf in der Festung Sextagon<br />

waren Zippel, Plumplum und Hübeldübel schon vor dem Morgengrauen<br />

aufgebrochen. Die übrigen Bewohner der Festung – es waren ohnehin nur<br />

einige wenige Wabbelanier – sollten von der Mission der drei erst gar<br />

nichts erfahren. War der Aufstieg durch den Gummibaumwald schon<br />

beschwerlich genug gewesen, so geriet der Marsch zur Grenze alsbald zur<br />

Tortur. Mitunter verlief sich der Pfad an den steinigen Hängen in verkruste-<br />

te Geröllfelder, dann wieder mussten Felsklippen übersprungen oder rei-<br />

ßende Wildwasser durchwatet werden. Noch bevor die ersten Sonnenstrah-<br />

len über die Gebirgskämme fingerten, erreichten die drei eine Gabelung,<br />

die den Weg zu den Pässen teilte. Ein verwittertes schiefes Holzschild stak<br />

am Wegesrand. Die rauen Stürme und Hagelschauer vergangener Jahre<br />

hatte die Schrift auf dem Wegweiser ausgewaschen und unleserlich<br />

gemacht. Wenn man Lanzetto glauben wollte, musste die linke Abbiegung<br />

zum Schwartenpass führen, während der rechte Weg durch den Scherben-<br />

pass lief.<br />

Die drei Wanderer hockten sich neben das trostlose Holzschild, das<br />

ihnen wie ein geborstenes Grabkreuz vorkam. Um ihre gedrückte Stim-<br />

mung zu heben, verschlangen sie die letzten Reste von Melanies Süßigkei-<br />

ten. Welchen der beiden Pässe sollten sie begehen? Während Hübeldübel<br />

und Plumplum die Vor- und Nachteile der beiden Möglichkeiten abwogen,<br />

aber zu keinem Entschluß kamen, versank Zippel in ein dumpfes Schwei-<br />

gen. Je mehr er über seine Mission nachdachte, desto wahnwitziger kam<br />

sie ihm vor.<br />

Der erste Sonnenstrahl fand seinen Weg über die Gebirgsränder und<br />

weckte den Schneider aus seinen Gedanken. Entschlossen sprang er auf<br />

die Beine und fistelte: »Ich nehme den linken Weg, der zum Schwarten-<br />

pass führt. Es ist sowieso egal, für welchen Weg ich mich entscheide.«<br />

»Wie du meinst«, meinte Hübeldübel, »dann lasst uns aufbrechen. Bis<br />

zum Pass wollen wir dich noch begleiten. Danach musst du allein weiter-<br />

kommen.«<br />

Kameradschaftlich puffte Plumplum den Schneider an, und sie traten<br />

ihren letzten gemeinsamen Marsch an.<br />

Außer ihrem Keuchen und gelegentlichen Fluchen war kein Laut zu<br />

hören. Hinter der Wegkreuzung schien die Welt tot und leer zu sein. Kein<br />

Vogel zwitscherte, keine Eidechse huschte über die Steine, keine noch so

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