PDF-Format - Hans Joachim Teschner
PDF-Format - Hans Joachim Teschner
PDF-Format - Hans Joachim Teschner
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Skunk<br />
Das Wort Spelunke war noch zu fein für die Bruchbude, die Zippel<br />
betrat. Nachdem er den staubigen Sack am Eingang zurückgeschlagen hat-<br />
te, schlug ihm ein so dicker, rauchgeschwängerter Dunst entgegen, dass er<br />
glaubte, ersticken zu müssen. Minutenlang kämpfte er gegen den Brech-<br />
reiz an, der ihn schlucken und würgen machte. Die gleiche Zeit brauchten<br />
seine Augen, um sich an das Halbdunkel des Lochs anzupassen. Allmählich<br />
schälten sich die Konturen der Einrichtung und der Gäste aus dem damp-<br />
fenden Brei. Es gab lediglich einen rechteckigen Raum, an dessen Wände<br />
roh zusammengefügte Bretter als Sitzgelegenheiten dienten. Wackelige<br />
Kisten und Kästen verdienten den Namen Tisch nicht, wurden aber in<br />
Ermangelung jeglichen Mobiliars dafür missbraucht. Sogar eine Art Tresen<br />
bereicherte die luxuriöse Ausstattung dieses Palasthotels. Das Angebot an<br />
Getränken war schnell abgezählt und bereitete dem Gast keine Qual der<br />
Wahl: ein einziger Kübel stand auf dem Tresen. Der Inhalt, eine schwap-<br />
pende Brühe von undefinierbarer Farbe, schien eine Mischung aus saurer<br />
Milch, Salzlake und selbstgebranntem Schnaps zu sein, der eine unwider-<br />
stehliche Anziehungskraft auf Fliegen und Geschmeiß ausübte. Jedenfalls<br />
war der Stiel des Schöpflöffels, der in der Brühe schwamm, von einer Trau-<br />
be grünlich-schillernder Fliegen belagert.<br />
Aus den Ecken gierten hungrige Augenpaare und maßen Zippel vom<br />
Kopf bis zur Zehenspitze. Erwartungsvoll blieben sie an seinem Bauchladen<br />
kleben. Zippel beachtete sie nicht weiter und schritt zur Theke, wie wir den<br />
Tresen mit dem einsamen Kübel einmal nennen wollen. Hinter der Theke<br />
lauerte schon der Wirt, ein aufgedunsener, fetter Kahlkopf, dessen specki-<br />
ge Hose mit einer Wäscheleine am Abrutschen gehindert wurde. Dies war<br />
auch schon das einzige Kleidungsstück, denn selbst die ausgebeutelte<br />
Hose schien dem Träger lästig warm und unbequem zu sein, denn er<br />
schwitzte immerfort Bäche von übelriechendem Schweiß aus, der weiß-<br />
graue Spuren und Ränder hinterließ, so dass der nackte Oberkörper des<br />
Kolosses mit Streifen von eingetrockneten Schweißbächen tätowiert war.<br />
Da der Schweiß des Wirtes die einzige Flüssigkeit war, die sein Körper ken-<br />
nenlernte, hatte der schmutzige Brustkorb mit den krustigen Streifen<br />
große Ähnlichkeit mit dem Fell eines Stinktieres. Und so wurde der Besitzer<br />
der Absteige auch gerufen: Skunk, wie das Stinktier.<br />
Skunk also erwartete den Schneider und grüßte mit keiner asthmatisch<br />
röchelnden Stimme: »Stech dich, krtzkrr.«