PDF-Format - Hans Joachim Teschner
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erkannt haben. Ich war ja noch eine junge Frau, als du mich nach Wab-<br />
belanien schicktest, um den Wabbelstein zu stehlen.«<br />
Das Zittern des vergreisten Generals verstärkte sich. Mit einer<br />
unmenschlichen Anstrengung versuchte Krieger, seinen Salzpanzer zu<br />
sprengen.<br />
»Fast hätte ich deinen Wunsch erfüllt«, fuhr die Zöllnerin unbeirrt<br />
fort, »jeden deiner Wünsche hätte ich erfüllt. So sehr habe ich dich<br />
geliebt. Doch auch ich war verloren, als ich den Schrein öffnete. Um<br />
dreißig Jahre war ich gealtert, als Königin Wabbeline mich fand. Doch sie<br />
hatte großes Mitleid mit mir. Aber es war noch etwas geschehen.«<br />
Prüfend tastete die Zöllnerin das verkrustete Gesicht des Generals. Er<br />
lebte noch und hörte sie. Kalte Schweißtropfen mischten sich in das<br />
unablässig tropfende Salzwasser. Die verbogene alte Frau nahm ihren<br />
Stock.<br />
»Jetzt kannst du es ja erfahren, Krtzkrr. Damals trug ich eine Tochter<br />
aus. Mein Leib hat sie vor den Strahlen des Wabbelsteins geschützt. Es<br />
ist unsere gemeinsame Tochter. Sie wird einen guten Mann bekommen.<br />
Keinen Stachelländer. Keinen Soldaten. Keinen Wegelagerer oder<br />
Strauchdieb. Es wird ein herzensguter Schneider aus Wabbelanien sein.«<br />
Bei den letzten Worten entrann ein hasserfülltes Krächzen der Brust<br />
des Generals. Seine blinden Augäpfel quollen aus ihren Höhlen und<br />
sprengten die verkrustete Schicht. Mit einem tierischen Grunzen spuckte<br />
der Diktator Salzklumpen aus, die er in seiner Gier gefressen hatte. Ein<br />
donnerndes Grollen antwortete ihm. Aus einem tiefen Spalt, der die<br />
Kuppel aufgetrennt hatte, strömten Wassermassen, die Eisschollen mit<br />
sich rissen. Einzelne Salzzapfen und -kegel brachen unter der Last der<br />
felsigen Decke zusammen. Von der Treppe, die zur Stachelburg hinauf-<br />
führte, schallten gehetzte Schritte, Kampfgetöse und wilde Schreie.<br />
Ohne Hast hob die Zöllnerin ihren Stock und bahnte sich humpelnd und<br />
schleifend einen Weg durch die anschwellenden Salzzapfen. Bald verlor<br />
sich ihr krummer Rücken in den feuchten Treibhausschwaden aus Dampf<br />
und Wassertropfen. Seit dieser Stunde wurde die Zöllnerin nicht mehr<br />
gesehen.<br />
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