PDF-Format - Hans Joachim Teschner
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über den Scherbenpass geflohen.<br />
Nervös nestelte Zippel an den Metallösen seiner Jacke herum. Die wil-<br />
desten Gedanken jagten durch sein Gehirn. Auf keinen Fall durften die Sol-<br />
daten hinter seine wahre Identität kommen. Wie konnte er nur das aufkei-<br />
mende Misstrauen zerschlagen?<br />
»Rührt euch!« fistelte er und versuchte, seiner Stimme einen militäri-<br />
schen Klang zu geben. »Zwar darf ich niemanden über den Wabbelstein<br />
Auskunft geben, aber ihr dürftet schon erraten haben, was ich in dieser<br />
Kiste mit mir führe.« Dabei klopfte er geheimnisvoll auf den Bauchladen.<br />
»Helft mir auf die Beine.«<br />
»Zu Befehl, krtzkrr!« schnarrte Soldat Geierblick und ergriff Zippels<br />
Hand. »Uuaah«, fügte er mit angeekelter Miene hinzu, »du stinkst ja wie<br />
zu besten stachelländischen Feiertagen.«<br />
Zippel bekam Aufwind. Geierblick und Reibstein schienen seine Maske-<br />
rade nicht zu durchschauen. Den echten Brutus Ranzig hatten sie entweder<br />
nur flüchtig oder überhaupt nicht gesehen. Der Schneider, der schon auf<br />
der Reise durch Wabbelanien an Selbstvertrauen gewonnen hatte, wuchs<br />
über sich hinaus. Mit der größten Selbstverständlichkeit näselte er: »Ein<br />
echter Stachelländer verliert niemals seinen guten Stallgeruch. In die Stie-<br />
fel und ab nach Stachelburg.«<br />
Reibstein meckerte vor Vergnügen auf. Voller Respekt spuckte er einen<br />
rostigen Nagel in den Sand. Dann griff in seinen Beutel und holte eine<br />
Handvoll Glasscherben und rostiger Nagelenden hervor. »Hier Kumpan.<br />
Eine kleine Erfrischung. Du wirst sie benötigen. Krtzkrr.«<br />
Woher sollte Zippel auch wissen, dass die Stachelländer Nägel und<br />
Scherben wie Kaugummi kauten. Dass sie mit Vorliebe an Salzklumpen<br />
leckten und lutschten, als seien es die süßesten Lollies. Dass sie sich piek-<br />
ten und kniffen, wenn sie lustig taten. Dass es als fein galt, den Nachbarn<br />
anzurülpsen. Und besonders vornehm war es, dem Gegenüber auf das<br />
Auge zu spucken, möglichst mit einem abgelutschten Kieselstein. Wenn die<br />
Stachelländer hinter einem Mädchen her waren, bewarfen sie es mit<br />
Schmutz und beleidigten es in der allergröbsten Weise. Beim Küssen bis-<br />
sen sie sich in die Lippen und rissen sich an den Haaren. Zippel hatte noch<br />
viel Schreckliches zu lernen. Kein Wunder, dass die Wabbelanier vor den<br />
grässligen Stachelländern bibberten.<br />
Mit zusammengebissenen Lippen fügte Zippel sich in sein Schicksal und<br />
nahm die sogenannte Erfrischung entgegen. Vor den Augen der waffen-<br />
strotzenden Soldaten schob er sich einen rostigen Nagel zwischen die Zäh-<br />
ne. Sogar ein schiefes Grinsen brachte er zustande. Reibstein und Geier-