PDF-Format - Hans Joachim Teschner
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ende Wirkung. Oberst Speiteufel feierte mit Geheimrat Ziegenlippe zum<br />
wiederholten Mal Verbrüderung. Mit rührseligen Tränen in den Augen<br />
spuckten sie sich volle Breitseiten von Nägeln und Scherben ins Gesicht<br />
und rupften sich die Haare aus. Hauptmann Bleifuß, der sich des Verräters<br />
entledigt hatte, gurgelte und erbrach sich quer über den Tisch. Die Solda-<br />
ten grölten, gossen sich Schnaps über die Köpfe und schlugen mit<br />
Blechlöffeln auf die Töpfe ein.<br />
»Musik!« befahl General Krieger.<br />
Da in Stachelburg keine Musik ausgeübt wurde, und es somit auch kei-<br />
ne Musiker gab, nahmen die Söldner das Geschäft selbst in die Hand. Ein<br />
ohrenbetäubendes, schrilles Katzenkonzert war die Folge. Mehrere Solda-<br />
ten kratzten mit ihren Fingern auf Schiefertafeln, dass die Ratten quiekend<br />
in ihre Löcher flüchteten. Zwei andere holten verstimmte Fideln aus der<br />
Ecke und sägten mit zerfaserten Bögen darauf herum, als wollten sie die<br />
Instrumente zu Kleinholz machen. Alles, was auch nur irgendwie einen<br />
scheppernden Klang verursachte, wurde mit Fäusten, Messern, Löffeln und<br />
Schwertern bearbeitet. Dazu grölten die Betrunkenen unmelodisch durch-<br />
einander, wobei es einzig auf die Lautstärke und nicht auf einen schönen<br />
Klang ankam.<br />
Bis zum Exzess steigerte sich das Gelage. Als im Morgengrauen die ers-<br />
ten Geier auf der Suche nach Aas aufstiegen, lagen die Gänge der Stachel-<br />
burg voll von betrunkenen Söldnern und Desperados. Es konnte noch Tage<br />
dauern, bis der letzte Tropfen Fusel ausgetrunken war, bis das letzte<br />
Fischskelett auf die Dielen gespuckt wurde.<br />
Gegen Mittag des zweiten Tages jedoch machte Ziegenlippe einen Vor-<br />
schlag, der von allen begeistert aufgenommenen wurde.<br />
»Wir brauchen zwischendurch eine Abwechslung«, lallte er, »Lasst uns<br />
doch mal auf den Marktplatz gehen und uns bei den Marktfrauen umsehen.<br />
Da gibt es sicher allerlei zu kneifen und zu kratzen.«<br />
Mit einem tierischen Gebrüll wälzte sich die haltlose Soldateska auf das<br />
verriegelte Tor. Krtzkrr Krieger meckerte böse auf.<br />
»Schade«, rief er, »dass wir keinen fetten Wabbelanier zum Pieken und<br />
Quälen dabei haben. Das würde dem Fest die richtige Würze geben.«<br />
Er schloss das Tor auf. Wie glühende Nadeln stachen die gleißenden<br />
Strahlen der Vormittagssonne in die blutunterlaufenen Augen der Bande.<br />
Geblendet wichen die Wüstlinge zurück. Allmählich gewöhnten sie sich an<br />
das Tageslicht. Schmutzige Stoppelbärte sprossen in ihren aufgedunsenen<br />
Gesichtern. Mit zerzausten Haaren und stinkenden Uniformen wälzte sich<br />
die rohe Meute durch die Gassen Stachelburgs und bewegte sich unheilvoll