PDF-Format - Hans Joachim Teschner
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»Zippel?« fragte sie.<br />
Da platzte der Knoten. Zippel fuhr zusammen. »Nein, nein!« rief er<br />
eilig, »Rippel aus Korinth. Nadel-, Nagel- und Kratzbürstenhändler.«<br />
Rosalinde maß ihn mit einem langen klugen Blick. Trotz ihrer stachellän-<br />
dischen Magerkeit strahlte sie eine weibliche Wärme aus, die ihr hier ver-<br />
mutlich mehr Feinde als Freunde machte.<br />
»Wenn ich nur etwas Geld hätte«, sagte Zippel und betrachtete hungrig<br />
den Wackelpudding.<br />
»Geld?« fragte Rosalinde, »Geld gibt es hier nicht. Wir leben von<br />
Tauschgeschäften. Aber mit Nägeln oder Kratzbürsten kann ich nichts<br />
anfangen.«<br />
Doch dem scharfen Schneiderblick war nicht entgangen, dass die vielen<br />
Flicken auf der Schürze der Marktfrau sauber und akkurat gesetzt waren,<br />
dass aber die Nadelstiche viel zu große Löcher hinterlassen hatten und den<br />
Effekt der Flickerei fast wieder aufhoben. Er ging zu seinem Bauchladen,<br />
öffnete die Kiste und entnahm ihr drei der feinsten Nadeln.<br />
»Nun?« fragte er. Zu den Nadeln legte er noch eine Rolle Zwirn auf den<br />
Tisch. Die Wangen Rosalindes röteten sich wie beim Auspacken eines<br />
Weihnachtsgeschenkes. Und so kam der Tausch zustande. Obwohl der<br />
Wackelpudding im Vergleich zu Melanies Kunstwerken ein kümmerlicher<br />
fester Klumpen war, schmeckte er Zippel wie die Krönung aller Wackelpud-<br />
dinge. Gesättigt und mit einem süßen Gefühl im Herzen begann er, seine<br />
Waren anzupreisen. Zwischendurch schielte er heimlich zu seiner Nachba-<br />
rin, und seine Augen bekamen einen sehnsüchtigen Glanz.