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PDF-Format - Hans Joachim Teschner

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Zu seiner Rechten gewahrte er einen Stand, der ebenso wie die anderen<br />

provisorisch mit einer Wäscheleine am Einsturz gehindert wurde. Dennoch<br />

unterschied sich dieser Tresen mit den ausgestellten Waren von den übri-<br />

gen. Nicht, dass es sich um besonders auffällige Produkte handelte. Nein,<br />

es waren Kleinigkeiten, die Zippels Neugierde weckte: die Knoten schienen<br />

sorgfältiger gebunden zu sein, die Waren lagen geordnet auf einer Ver-<br />

kaufsfläche, die anscheinend vorher gesäubert worden war. Ein Schild mit<br />

liebevoll gemalten Buchstaben verwies auf die Art des Ladens: Spezialitä-<br />

ten und Hausgemachtes!<br />

Von der Marktfrau dieses sogenannten Spezialitätenladens sah Zippel<br />

nur den Rücken, denn sie schien auch noch den Boden hinter dem Tresen<br />

zu fegen. Also betrachtete sich Zippel die Auslage. Recht trostlos sah es<br />

darauf aus. Neben einigen Karotten und Gurken, die allerdings eine frische<br />

Farbe aufwiesen, langweilte sich ein Kürbis, so armselig, so klein wie ein<br />

wabbelanischer Apfel. Doch dann erblickte der Schneider etwas, was er<br />

seit seinem Grenzübergang nicht mehr gesehen hatte, und wovon er schon<br />

zu träumen anfing: ein Honigbrot und daneben einen Wackelpudding!<br />

Träumte er vielleicht? Ungläubig schnupperte er in die verpestete Luft.<br />

Das war keine Fata Morgana. Ein kaum wahrnehmbarer süßlicher Geruch<br />

streifte an seiner Nase vorbei.<br />

'Natürlich,' dachte Zippel, 'der Geruch hat mich hierher gelockt!' Und er<br />

schnüffelte und schnoberte, bis seine Nase fast im Wackelpudding versank.<br />

Da richtete sich die Marktfrau auf.<br />

»Ja, bitte?« fragte sie mit einer Stimme, die wohl herb klingen sollte,<br />

aber eine samtene Weichheit nicht übertünchen konnte.<br />

Zippel blickte in zwei große dunkelblaue Augen, die ihn wie zwei klare<br />

Bergseen zu verschlingen schienen. Dem Schneider wurde es siedend heiß.<br />

Das Puls klopfte dröhnend in seiner Schläfe. Schluckend fasste er sich an<br />

den Hals. Was war mit ihm? Keinen Moment konnte er seine Augen von<br />

den ihren lösen. Ihm wurde schwindelig.<br />

»S'wibbelt«, flüsterte er heiser, wusste aber gar nicht, was er da sagte.<br />

Erschreckt weiteten sich die Pupillen der Frau. Sie wich einen Schritt<br />

zurück.<br />

»Melanie?« fragte Zippel blöde. Doch nein, das war unmöglich.<br />

Die Frau lachte kurz auf und sagte spröde: »Ich heiße Rosalinde. Wer<br />

bist du, und was willst du von mir?«<br />

»Zippel, der Schneider«, krächzte Zippel. Wieder war ihm nicht<br />

bewusst, was ihm da entfuhr, und wieder wich die Frau einen Schritt<br />

zurück.

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