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PDF-Format - Hans Joachim Teschner

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den?<br />

Behutsam zog Rosalinde ein Brett nach dem anderen aus der Fassung.<br />

Nachdem sie das letzte Brett entfernt hatte, erkannte sie das ganze Aus-<br />

maß ihres Irrtums: Rippel lag der Länge nach auf dem kalten Pflaster,<br />

schnaufend und schnarchend vor Erschöpfung. Der fahle Mond hatte sein<br />

Gesicht, das von den Abenteuern eine gesunde rote Farbe angenommen<br />

hatte, in eine kranke gelbe Maske verwandelt.<br />

Lange kniete Rosalinde vor dem Schneider und betrachtete ihn. Schließ-<br />

lich seufzte sie und gab sich einen Stoß, um ihn zu wecken.<br />

Zippel war, trotz der maßlosen Enttäuschung über den Betrug Rosalin-<br />

des, in einen bleiernen Schlaf gefallen. Als er die Augen aufschlug, glaubte<br />

er zu träumen. Vor ihm saß Melanie. Mit ihrem süßesten Kuss hatte sie ihn<br />

geweckt. Im Hintergrund erhob sich die bizarre Silhouette der Stachelburg<br />

mit ihren drohend ausgespreitzten Stacheltürmen. Er rieb sich die Augen.<br />

Melanie verwandelte sich in ein zerlumptes, mageres Mädchen. »Rosalin-<br />

de?« stammelte Zippel und fasste sich an die Kehle. An seine neue Stimme<br />

hatte er sich selbst noch nicht gewöhnt. Er glaubte sich noch immer im<br />

Schlaf und berührte ihre Wange. Sie wehrte sich nicht. Zippel richtete sich<br />

auf.<br />

»Komm schon herein«, forderte Rosalinde ihn auf. Sie gingen in den<br />

einzigen Wohnraum der Hütte und klemmten die Bretter wieder vor die<br />

Türöffnung. Rosalinde entfachte ein Feuer in dem kleinen Kanonenofen und<br />

setzte einen Kräutertee auf.<br />

Während Zippel den heißen Tee in kleinen Schlucken genoss, erzählte er<br />

von seinem Erlebnis mit Skunk in der Daumenschraube. Schweigend hörte<br />

sich Rosalinde an, wie die Furcht Rippels Stimme hatte brechen lassen und<br />

in eine tiefe Männerstimme verwandelt hatte. Dass er zu aller Überra-<br />

schung 'S'wabbelt!' gerufen hatte, verschwieg der Schneider wohlweislich.<br />

Die Hütte, in der er nach seiner Flucht untergekrochen war, war ihm<br />

schließlich nicht sicher genug erschienen. Jeden Moment hätte der Besitzer<br />

zurückkommen können. Deshalb hatte er es vorgezogen, zu Rosalinde zu<br />

gehen.<br />

Zippel sah sich etwas enttäuscht in dem Raum um. »Hier kann ich ja<br />

auch schlecht übernachten«, sagte er.<br />

Rosalinde öffnete eine kleine Tür an der hinteren Seite. »Du kannst hier<br />

in der Speisekammer schlafen«, sagte sie, »sie ist ohnehin fast leer.«<br />

So gut es eben ging, richtete sich Zippel in der Speisekammer ein. Bei<br />

seiner Länge musste er sich wie ein Flitzebogen krümmen, was ihm aber<br />

kaum etwas ausmachte, denn er war es von Kindheit an gewöhnt, in zu

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