PDF-Format - Hans Joachim Teschner

Kratzbürstenhändler auf der Durchreise.« Seinen Namen hat Zippel ein
wenig geändert, denn man kann nie wissen! Die beiden Wächter rappeln
sich wieder auf. »Den Ausweis!« verlangen sie, und der Schock steht
immer noch auf ihren Gesichtern geschrieben. Zippel zückt seinen Ausweis
und hält ihn frech vor die Nase des ersten Wächters. Der bleibt stumm.
Studiert und studiert. Bis er achselzuckend fragt: »Was für einen Sinn hat
ein Ausweis, wenn man ihn nicht lesen kann, krztkrr?« Noch immer reitet
dieses kecke Teufelchen den Schneider, und er dreht den Ausweis um und
fragt: »Und nun? Bist du jetzt zufrieden?«
Wie vom Donner gerührt glotzt der Wächter auf den Zettel. Gleich fallen
ihm die Augen aus dem Kopf. »Pest und Cholera«, stottert er«,das sind ja
wabbelanische Buchstaben!« »Eben, eben«, kontert Zippel, »das ist ja der
Trick. Darauf wärst du Pfiffikus wohl nie gekommen. Die korinthischen Hie-
roglyphen sind halt so oder anders zu lesen. Je nachdem, je nach Bedarf.
Mal wabbelanisch, mal korinthisch, mal kloakisch., dann wieder stachellän-
disch. In jedem Fall aber sibyllinisch und erst recht
korinthifistisch. Zu guter Letzt stellt sich das Papier als spionistisch im
Sinne korinthisch-verbrämter Sophistik in der Auslegung kyrillischer Malefi-
zenz dar.« Nach dieser tiefsinnigen und rätselhaften Rede lupft Zippel sei-
nen Dreispitz zum Gruß: »Und damit wünsche ich noch einen guten Tag.«
Ohne zu fragen nimmt Zippel den Ausweis wieder an sich, schultert seinen
Bauchladen und marschiert einfach los, eine lustige Weise auf den Lippen.
Das einzige, was ihn in seinem Rücken noch verfolgt, ist ein dümmliches
Grunzen. Und das ist alles. Basta.
Seit diesem Erlebnis verfielen die Wächter in ein krankhaftes, verbohr-
tes Grübeln und Deuteln und nahmen ihre Aufgaben nachlässig und in
geistiger Abwesenheit wahr. Zippel aber kicherte beim Gedanken an diesen
Streich vergnügt in sich hinein. Das war wirklich ein tolldreistes Stück
gewesen. Was würden Plumplum und Hübeldübel wohl für Augen machen,
wenn er davon berichtete!
Je mehr er sich der Stadtmitte näherte, desto stärker wurde das Leben
in den Straßen. Auch die anderen Menschen nahmen die gleiche Richtung
wie der Schneider. Hauptsächlich Frauen strebten zur Stadtmitte, und sie
schleppten wie Zippel Kisten mit sich, hatten Säcke geschultert oder scho-
ben zweirädrige Karren vor sich her, die mit seltsamen Dingen beladen
waren. Faule Fische, verdorbene Äpfel und die verwesten Kadaver von Kat-
zen, Kötern und Ratten wurden hier fortgetragen, und sie verstärkten noch
den Gestank, der sowieso ständig die Luft schwängerte.
'Liegt die Müllkippe etwa mitten in der Stadt'? Dachte Zippel, bis ihm