Download Kapitel 5 (PDF, 785 KB) - Volker Leib
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Internet Governance & ICANN<br />
www.volker-leib.de<br />
Internet in der neuen Organisation zu institutionalisieren. Dieses Wagnis sei nur möglich,<br />
wenn der Privatsektor sich der Herausforderung stelle, Führungsaufgaben zu übernehmen:<br />
„We are prepared to defer critical decisions regarding, for example, the addition of new<br />
gTLDs and trademark dispute systems, to such an entity. (...) We expect the private sector to<br />
step up to the challenge of leadership as well“ (NTIA 1998a).<br />
Der bisherige Verlauf des Prozesses stimmte Burr zuversichtlich. Sie äußerte, die gute<br />
Zusammenarbeit der vielen Akteure innerhalb der Regierung hätte dem Verfahren des „interagency<br />
process“ neue Bedeutung verliehen, während der Austausch mit der Öffentlichkeit ein<br />
beispielhafter Fall von „conversational government“ gewesen sei. Beide Seiten hätten in dem<br />
Jahr viel gelernt. Das Department of Commerce werde auch weiterhin alles tun, um die<br />
Aufgabe zu Ende zu bringen, denn der Prozeß sei keinesfalls am Ende, im Gegenteil: „The<br />
hard part is just beginning, in fact“ (NTIA 1998a). Die neue Struktur sollte zum 1. Oktober<br />
1998 arbeitsfähig sein und spätestens nach zwei Jahren die volle Verantwortlichkeit übernehmen.<br />
Die US-Regierung plante, sich vollständig zurückzuziehen, je früher desto besser,<br />
keinesfalls später als zum Oktober 2000.<br />
War der Regelungsverzicht nun ein Triumph oder eine Bankrotterklärung der amerikanischen<br />
Politik? Kapitulierten Magaziner und die NTIA vor der Komplexität der Materie und<br />
der Vielfalt der widerstreitenden Interessen? Oder verwirklichten sie aktiv ihre Politik des<br />
Autoritätstransfers an den Privatsektor? Beides traf zu, denn die US-Regierung hatte im<br />
Verlauf des Verwaltungsverfahrens mehrere Dinge gelernt. Zum einen, daß sie von der<br />
Expertise der Internet-Ingenieure abhängig war, wenn sie nicht riskieren wollte, eine nicht<br />
funktionsfähige Lösung vorzuschreiben. Zum anderen, daß der Namens- und Nummernraum<br />
des Internet nicht mehr als inneramerikanische Angelegenheit behandelt werden konnte. Das<br />
Lernergebnis paßte wiederum zu der Privatisierungsrethorik und dem generellen Ziel, das<br />
Internet möglichst zu einer unregulierten elektronischen Freihandelszone zu machen, so daß<br />
sich die Politik gut verkaufen ließ.<br />
Die Reaktionen auf das neue Papier waren positiv bis euphorisch (CNET News 1998-06-<br />
05). Da das Weißbuch praktisch alle wichtigen Entscheidungen der neuen Organisation<br />
überließ und an vielen Stellen unbestimmt blieb, konnte jede Interessengruppe in das Papier<br />
hineinlesen, was ihr paßte, und sich gute Chancen für den weiteren Verlauf des Prozesses<br />
ausrechnen. Die US-Regierung hatte zur Methode gegriffen, Zustimmung durch Unklarheit zu<br />
erhalten. Die Internet Society feierte das Weißbuch begeistert als Sieg für die Internet-<br />
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