Skripten - an der Fakultät für Mathematik! - Universität Wien
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KAPITEL 4<br />
Mengenlehre<br />
In diesem Kapitel führen wir nun unsere erste mathematische Struktur, die <strong>der</strong> Menge<br />
ein. An diesem Punkt stoßen wir also zum ersten Mal auf das in <strong>der</strong> Einleitung erwähnte<br />
Grundprinzip <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>: Definition und Untersuchung von Strukturen.<br />
Ein Großteil <strong>der</strong> mathematischen Theorien ist darauf aufgebaut, Objekte mit bestimmten<br />
Eigenschaften und <strong>der</strong>en Beziehungen unterein<strong>an</strong><strong>der</strong> zu untersuchen. Strukturen können<br />
neben ein<strong>an</strong><strong>der</strong> existieren o<strong>der</strong> aber auf ein<strong>an</strong><strong>der</strong> aufbauen, d.h. sie sind Spezialisierungen<br />
o<strong>der</strong> Kombinationen von bereits bestehenden Strukturen.<br />
Die Basisstruktur <strong>für</strong> die meisten Gebiete <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> ist diejenige <strong>der</strong> Menge, die<br />
wir auf naive Weise im Abschnitt 4.1 einführen. Nach einer Darstellung <strong>der</strong> elementaren<br />
Mengenoperationen untersuchen wir Relationen als Struktur, die auf dem Begriff <strong>der</strong> Menge<br />
aufbaut und Abbildungen zwischen Mengen. Zum Schluss des Kapitels geben wir eine kurze<br />
Einführung in die axiomatische Mengenlehre (Aufbaustoff).<br />
4.1. Naive Mengenlehre<br />
Bevor wir in Abschnitt 4.5 kurz einen logisch exakten Zug<strong>an</strong>g zur Mengenlehre skizzieren,<br />
wollen wir uns hier, aus Gründen <strong>der</strong> Motivation und des besseren Verständnisses, auf<br />
den Zug<strong>an</strong>g von Georg C<strong>an</strong>tor (1845–1918) zurückziehen, den dieser gegen Ende des 19.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts erstmals formuliert hat:<br />
Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung S von bestimmten<br />
wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung o<strong>der</strong> unseres Denkens<br />
(welche die Elemente von S gen<strong>an</strong>nt werden) zu einem G<strong>an</strong>zen.<br />
Vorstellen k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sich eine Menge gewissermaßen als einen Sack. Die Elemente sind<br />
die Gegenstände, die sich in dem Sack befinden. Natürlich können Mengen <strong>an</strong><strong>der</strong>e Mengen<br />
enthalten so, wie sich auch weitere Säcke innerhalb eines Sackes befinden können.<br />
Beispiel 4.1.1 (Mengen). Bilden k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> etwa die folgenden Mengen.<br />
• Die Menge aller Studierenden im Hörsaal.<br />
• Die Menge <strong>der</strong> natürlichen Zahlen.<br />
• Die Menge <strong>der</strong> Lösungen einer Ungleichung.<br />
• Die leere Menge ( ”<br />
ein leerer Sack“).<br />
Der Gebrauch des bestimmten Artikels ist in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> äußerst eingeschränkt. Es<br />
gibt eine feste Regel, die nie gebrochen werden darf.<br />
Ein bestimmter Artikel darf nur d<strong>an</strong>n verwendet werden, wenn<br />
es klar ist, dass das fragliche Objekt eindeutig bestimmt ist.<br />
So ist es unzulässig zu formulieren<br />
• ...<strong>der</strong> Teiler von 6 (denn es gibt 1, 2, 3 und 6).<br />
• ...die Matrix, die einer lineare Abbildung f entspricht...(denn sie ist nicht eindeutig).<br />
• ...die Basis desÊ3 .<br />
Richtig wäre es dagegen zu sagen:<br />
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