Skripten - an der Fakultät für Mathematik! - Universität Wien
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KAPITEL 1<br />
Einleitung<br />
Im Vergleich mit vielen <strong>an</strong><strong>der</strong>en Studienrichtungen, selbst mit den naturwissenschaftlichen,<br />
hat das <strong>Mathematik</strong>studium eine höhere Drop-Out–Rate, und viele Studierende geben<br />
bereits bald nach Studienbeginn auf.<br />
Ein Hauptgrund <strong>für</strong> dieses Faktum liegt darin, dass die Art wie <strong>Mathematik</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />
betrieben wird sich grundlegend von dem aus <strong>der</strong> Schule gewohnten unterscheidet.<br />
Während in <strong>der</strong> Schule das Hauptaugenmerk auf das Lösen von Beispielen gerichtet ist und<br />
<strong>für</strong> die meisten LehrerInnen das Algorithmische im Vor<strong>der</strong>grund steht (das Erlernen von<br />
Schemata zur Beh<strong>an</strong>dlung von St<strong>an</strong>dardproblemen), tritt dies <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> merklich<br />
in den Hintergrund. Es ist in Wahrheit so, dass selbst die besten Fähigkeiten in diesem<br />
Gebiet nicht ausreichen, ein <strong>Mathematik</strong>studium, sei es zum Lehramt o<strong>der</strong> zum Diplom,<br />
erfolgreich abzuschließen.<br />
In <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit hat die Erfahrung gezeigt, dass bereits in <strong>der</strong> Studieneing<strong>an</strong>gsphase<br />
(in den ersten wenigen Wochen) zwei Fakten zu einer Fehleinschätzung des Studiums durch<br />
die Studierenden führen.<br />
(1) Die scheinbare Einfachheit des zu Beginn gelehrten Stoffes — <strong>der</strong> Stoff, <strong>der</strong> in den<br />
Vorlesungen zu Beginn vorgetragen wird, scheint den meisten wohlbek<strong>an</strong>nt und<br />
leicht verständlich. Dies verführt dazu, sich zu Beginn auf dem in <strong>der</strong> Schule gelernten<br />
”<br />
auszuruhen“ und den Punkt zu verschlafen, <strong>an</strong> dem <strong>der</strong> sichere Hafen des<br />
bereits Erlernten verlassen wird. Der Stoff sieht nämlich nur auf den ersten Blick<br />
einfach aus, denn die wahre Schwierigkeit liegt nicht darin was beh<strong>an</strong>delt<br />
wird son<strong>der</strong>n wie es beh<strong>an</strong>delt wird. Es wird Ihnen also helfen die scheinbare<br />
Einfachheit am Beginn dazu zu nützen zu verstehen, wie <strong>der</strong> Stoff präsentiert wird<br />
und warum das gerade so geschieht.<br />
(2) Der Abstraktionsschock hängt unmittelbar mit dem zuvor gesagten zusammen. Während<br />
in <strong>der</strong> Schule die meisten LehrerInnen <strong>Mathematik</strong> <strong>an</strong> H<strong>an</strong>d von Beispielen erklären<br />
und weiterentwickeln, ja <strong>der</strong> gesamte Unterricht meist darauf fokussiert wird,<br />
dienen in <strong>der</strong> höheren <strong>Mathematik</strong> Beispiele vor allem dazu Sachverhalte zu illustrieren.<br />
Die wahre Entwicklung erfolgt innerhalb abstrakter Strukturen; diese werden<br />
durch möglichst wenige grundlegende Attribute definiert, und weitere gültige Eigenschaften<br />
sowie Querbeziehungen zu <strong>an</strong><strong>der</strong>en Strukturen werden in Beweisen<br />
mittels logischer Schlussfolgerungen aus diesen Grundlagen und bereits bek<strong>an</strong>nten<br />
Tatsachen abgeleitet.<br />
Einer <strong>der</strong> häufigsten Fehler von Studien<strong>an</strong>fängerInnen liegt darin, den Beweisen<br />
nicht die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das heißt den wahren Geist<br />
<strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> zu verkennen und die wahren Schwierigkeiten, beson<strong>der</strong>s am Anf<strong>an</strong>g,<br />
zu übersehen. Zusätzlich führt es dazu, dass bereits nach wenigen Wochen des<br />
Studiums die geschaffenen Strukturen einen Umf<strong>an</strong>g und ein Abstraktionsniveau erreicht<br />
haben, das sich mit Schulwissen und Beispielen allein nicht mehr überblicken<br />
lässt. Mitlernen und Hinterfragen des Gehörten bereits zu Beginn des Studiums<br />
helfen, den Schock zu verringern o<strong>der</strong> gar zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
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