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Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag

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10416 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />

Petra Pau<br />

(A) (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-<br />

Von Bundesinnenminister Schily erwarte ich übrigens (C)<br />

tionslos])<br />

in dieser Frage keine Besserung mehr. Er hat sich mit<br />

Ebenso habe ich für die PDS im <strong>Bundestag</strong> ausdrücklich<br />

das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gewürdigt.<br />

Es hat die ausufernde Praxis des großen Lauschangriffes<br />

gerügt. Allerdings vermisse ich bisher entsprechende<br />

Konsequenzen bei der Bundesregierung und in den<br />

meisten Bundesländern. Früher war das übrigens ein<br />

originäres Thema der Grünen. Heute ist ihr Bürgerrechtsinstinkt<br />

– so meine Beobachtung – aufgebraucht.<br />

Ich bedauere das ganz ausdrücklich.<br />

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos]<br />

– Hans-Christian Ströbele [BÜND-<br />

NIS 90/DIE GRÜNEN]: Voll daneben!)<br />

den unsäglichen Otto-Paketen und manchem, was er<br />

jetzt auch noch in das Zuwanderungsgesetz eingebracht<br />

hat, endgültig disqualifiziert. Aber vielleicht – das ist zumindest<br />

meine Bitte – fühlt sich ja die Bundesjustizministerin<br />

angesprochen und nimmt sich dieser Sache endlich<br />

an.<br />

Hinzu kommen in der Praxis weitere Unterlassungen.<br />

Wer überwacht wird, hat ein Recht darauf, nachträglich<br />

darüber informiert zu werden. Das ist geregelt, aber auch<br />

in dieser Frage wird in der Praxis sträflich gegen Recht<br />

und Gesetz verstoßen. Stattdessen wird unentwegt versucht,<br />

die ausufernde Überwachungspraxis auch noch<br />

rechtlich auszuweiten.<br />

Herr Kollege Ströbele, nun zu Ihnen: Das, was Sie<br />

eben abgeliefert haben, war eine schlichte Luftnummer.<br />

Sie sind inzwischen offensichtlich zum bürgerrechtsankündigungspolitischen<br />

Sprecher ernannt worden.<br />

Deshalb tut aus meiner Sicht dreierlei Not: Die polizeiliche<br />

Praxis muss auf das Recht zurückgeführt werden;<br />

das Recht muss sich am Grundgesetz orientieren<br />

und die Politik muss die verbrieften Bürgerrechte stär-<br />

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Gesine<br />

ken, gerade auch Rot-Grün.<br />

Lötzsch [fraktionslos])<br />

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-<br />

Das habe ich zumindest Ihrem Vortrag entnommen und<br />

das gilt besonders, wenn Sie tatsächlich schon im Januar<br />

vergangenen Jahres angekündigt haben, Konsequenzen<br />

tionslos] – Hans-Christian Ströbele [BÜND-<br />

NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber sehr allgemein!)<br />

zu ziehen.<br />

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:<br />

Nun wieder zum eigentlichen Gegenstand: Die Tele- Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär<br />

fonüberwachung ist aus rechtsstaatlicher Sicht eine Ausnahme,<br />

die zwingend begründet werden muss. Die Pra-<br />

Alfred Hartenbach.<br />

(B)<br />

xis spricht aber eine andere Sprache.<br />

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU])<br />

Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin<br />

der Justiz:<br />

Verehrtes Präsidium! Verehrte Frau Vorsitzende, unter<br />

(D)<br />

– Zu Ihrem Zuruf, Herr Kollege: Es stimmt, es gibt auch Ihrem Vorsitz rede ich besonders gern. – Meine lieben<br />

im Deutschen <strong>Bundestag</strong> Menschen, die Angehörige der Kolleginnen und Kollegen! Herr Funke, ich bin begeis-<br />

PDS sind und die aus der bitteren Geschichte gelernt hatert, dass der Geist von Hirsch und Baum wieder in Ihren<br />

ben. Daher nehme ich mir das Recht, heute auch Ein- Reihen weilt; nur fürchte ich, dass die Attraktivität der<br />

griffe in Bürgerrechte hier zu kritisieren.<br />

FDP als Koalitionspartner der CDU damit erheblich ab-<br />

(Beifall des Rainer Funke [FDP] und der Abg.<br />

Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Dr. Jürgen<br />

Gehb [CDU/CSU]: Das ist schön!)<br />

Schon vor Jahresfrist hat der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte<br />

moniert, die Telefonüberwachung sei<br />

von einer Ausnahme zum Standard mutiert. Jüngste Untersuchungen<br />

– sie wurden hier schon zitiert – belegen,<br />

dass sie obendrein lax genehmigt oder aber überhaupt<br />

nicht mehr begründet wird. Die Polizei hat ein Begehr<br />

und immer mehr Richter stimmen ganz unbedarft zu.<br />

Das ist ein Armutszeugnis. Ich denke, wir müssen dafür<br />

sorgen, dass hier wieder Recht und Gesetz einziehen und<br />

im schlimmsten Fall auch die entsprechenden Kenntnisse<br />

vermittelt werden.<br />

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos]<br />

– Hans-Christian Ströbele [BÜND-<br />

NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie, Frau Kollegin?)<br />

nimmt.<br />

(Rainer Funke [FDP]: Das ist einzig unsere<br />

Sorge! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Jeder<br />

hat seine Last zu tragen!)<br />

Ich mache mir um Sie Sorgen, weil ich nämlich den<br />

Anfang Ihres Antrages ganz gut finde. In Ihrem Antrag<br />

steht: Der Rechtsstaat ist verpflichtet, die Menschen vor<br />

Kriminalität, besonders vor schwerer Kriminalität, wirksam<br />

zu schützen. Dabei ist die Telekommunikationsüberwachung<br />

ein unentbehrliches Instrument. – Das ist<br />

wohl wahr. Wo wir es nämlich mit kriminellen Vernetzungen<br />

zu tun haben, ist die Telekommunikationsüberwachung<br />

ein erfolgreiches – übrigens häufig auch das<br />

einzige – Mittel, um kriminelle Organisationsstrukturen<br />

nachzuweisen und neue Ermittlungsansätze zu finden.<br />

Der Rechtsstaat hatte es in den letzten Jahren nicht<br />

nur mit neuen Kriminalitätsformen zu tun, sondern<br />

gleichzeitig mit einer rasanten technischen Entwick-<br />

– Wenn Herr Ströbele pausenlos „Wie?“ fragt, frage ich lung im Bereich der Telekommunikation. Während der<br />

mich ernsthaft, ob Sie, der Sie an der Regierung sind, Gesetzgeber 1968 bei der Einführung des § 100 a StPO<br />

vielleicht auch einmal das Handwerkszeug in die Hand im Wesentlichen nur die Überwachung der Festnetzan-<br />

nehmen.<br />

schlüsse regeln musste, ist mittlerweile die Anzahl von

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