Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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10488 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />
(A) Union betone nur die negativen Seiten der Erweiterung, Anlässlich der Debatte um unseren Antrag zur Unter- (C)<br />
er mache den Menschen Angst.<br />
stützung der grenznahen kommunalen Zusammenarbeit<br />
Wenn sie – und nicht nur ihr Referent – den Antrag<br />
richtig gelesen hätte, wäre ihr sicher aufgefallen, dass<br />
wir die Erweiterung positiv darstellen und begrüßen, als<br />
Chance für die deutsche Tourismuswirtschaft begreifen<br />
und den Jugendaustausch und die Städtepartnerschaften<br />
mit unseren neuen Weggefährten im vereinten Europa<br />
forcieren wollen. Erstaunlicherweise war unsere grüne<br />
Kollegin Kurth gestern auch der Meinung.<br />
im November letzten Jahres hatte ich auf Chancen hingewiesen,<br />
die uns Städtepartnerschaften bieten. Und darauf<br />
will ich wieder hinweisen: Die Städtepartnerschaften<br />
im westlichen Europa haben Vorbildcharakter für<br />
solche im Osten. Die Fakten sprechen doch für sich:<br />
3 294 Partnerschaften bestehen zu westeuropäischen<br />
Städten. Allein 2075 entfallen auf französische Kommunen.<br />
Die Zahl der Partnerschaften zu Städten in den EU-<br />
Beitrittstaaten dagegen nimmt sich bescheiden aus: Hier<br />
Das einzig Negative für Sie ist doch nur die Tatsache,<br />
dass diese Anstöße von uns, der Opposition, kommen<br />
sind es nur 1 411. Da haben wir einen großen Nachholbedarf.<br />
und nicht von Ihnen, dass wir Ihnen, nicht nur bei diesem<br />
Thema, immer einen Schritt voraus sind. Ihr Antrag<br />
beschreibt zwar die Chancen der EU-Erweiterung für die<br />
Tourismuswirtschaft treffend und auch im Forderungsteil<br />
finden sich unterstützenswerte Punkte wie die Umweltdachmarke<br />
Viabono, die fehlende umfassende<br />
Dienstleistungsfreiheit bei Reiseleitern und die anzustrebenden<br />
einheitlichen Standards im Heilbäderbereich,<br />
aber die Unterstützung der Tourismuswirtschaft durch<br />
die Bundesregierung ist eben nicht so umfassend, wie<br />
Sie es darstellen. Viele der wirklichen Probleme der<br />
Dies darf doch kein strittiger Punkt zwischen uns<br />
sein: Nachdem wir den politischen, also rationalen, Vereinigungsprozess<br />
vollzogen haben, müssen wir doch alles<br />
tun, damit Europa mit dem Herzen zusammenwächst.<br />
Jugendaustausch, Aupairs, gemeinsame Ausbildungszentren<br />
in den Grenzregionen – das sind doch überwiegend<br />
Projekte und Forderungen, die einfach nur einen<br />
politischen Anschub benötigen. Was ist daran negativ?<br />
Das ist weder Schwarzmalerei noch kostet es zusätzliches<br />
Geld.<br />
Branche sowohl in Deutschland als auch in den Beitritts- Wenn ich mir hingegen Ihren Antrag durchlese, erländern<br />
werden im Antrag weder erwähnt noch berücklebe ich eine einzige Huldigungsadresse an die Bundessichtigt.<br />
Und das genau ist der Unterschied bei unseren regierung. Aber die löst keine Probleme – weder die be-<br />
Anträgen: Sie schreiben sich eine Realität herbei, wähstehenden noch die künftigen.<br />
(B)<br />
rend wir die Realität beschreiben. Auf einige Punkte wie<br />
eine einheitliche Besteuerung oder faire Wettbewerbsbedingungen<br />
für Kur- und Heilbäder hat Kollege Hinsken<br />
ja schon hingewiesen. Ich will meine Finger in andere<br />
Wunden legen.<br />
Wir – die Union als Europapartei – werden diese Entwicklung<br />
weiter begleiten und Sie an Ihre Nachlässigkeit<br />
erinnern, an die verpasste Chance, einen historischen<br />
Prozess aktiv mitzugestalten.<br />
(D)<br />
Glauben Sie wirklich, die Mittelausstattung der für<br />
Auslandswerbung zuständigen Deutschen Zentrale für<br />
Tourismus, DZT, sei ausreichend? Für eine effektive<br />
Marktbearbeitung in den neuen EU-Ländern fehlt ihr<br />
doch das Geld. Und das brauchen Sie nicht im Keller zu<br />
drucken, sondern finden es im Haushalt – durch Umschichtung.<br />
Vorschläge dazu finden Sie ja im Antrag.<br />
Ein anderer Punkt ist der Ausbau des deutschen Radfernwegenetzes<br />
in Kooperation mit den europäischen<br />
Nachbarn.<br />
Grenzübergreifende Ausbildungsprojekte zwischen<br />
Deutschland und den EU-Beitrittstaaten wie das der Hotelfachschule<br />
Pirna müssen die Regel werden und dürfen<br />
keine Ausnahme sein.<br />
Und – das ist wirklich ein negativer Aspekt der Erweiterung<br />
–: Wir müssen den Sextourismus und die Kinderprostitution<br />
im tschechischen Grenzgebiet eindämmen.<br />
Da wir von der Union ja so pragmatisch sind, liefern<br />
wir Ihnen für diese Probleme auch gleich die Lösung<br />
mit: Wenn es auf den Tourismus bezogene bilaterale Gesprächskreise<br />
auf Regierungsebene mit den neuen EU-<br />
Staaten gäbe, würden wir heute über die Punkte gar nicht<br />
debattieren; denn dann hätten wir ein Gremium, um<br />
diese Probleme auf dem kleinen Dienstweg zu besprechen.<br />
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN): Die EU-Osterweiterung war – das ist unumschränkt<br />
positiv zu bewerten – allen Fraktionen dieses<br />
Hauses eine intensive Befassung wert. Wir alle wissen,<br />
dass die EU-Erweiterung in wirtschaftlicher Hinsicht für<br />
alle Bereiche, auch für den Tourismus, wichtige Impulse<br />
gibt. Die europäische Erweiterung wird die Beliebtheit<br />
Europas als Urlaubsziel weltweit erhöhen und ich bin sicher,<br />
dass alle 25 Mitgliedstaaten davon profitieren werden.<br />
Sehr wohl müssen sich die verschiedenen Destinationen<br />
und die unterschiedlichen Tourismussegmente darauf<br />
einstellen, dass ab Mai Europa „größer“ und das<br />
Reisen noch einfacher wird. Die Entscheidung für einen<br />
neuen Zielort wird enorm erleichtert. Für uns war es im<br />
Hinblick auf den Deutschlandtourismus aber immer<br />
wichtig, nicht bei der Betrachtung möglicher Wettbewerbsvorteile<br />
der neuen EU-Länder zu verweilen. Eine<br />
solche Haltung führt nicht weiter.<br />
Bezogen auf den von der Opposition immer wieder beklagten<br />
Wettbewerbsdruck lässt sich feststellen, dass es<br />
keinen wesentlichen Anpassungsdruck für die deutsche<br />
Tourismuswirtschaft geben wird, der sich allein aus der<br />
Erweiterung der Europäischen Union ergibt. Bestehende<br />
Unterschiede im Besteuerungsniveau bedeuten nicht<br />
automatisch nennenswerte Wettbewerbsverzerrungen.<br />
Wie auch umgekehrt Erfahrungen aus der Anwendung