Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10499<br />
(A) Familienmitglied mit einer Behinderung. Die Ursachen lanz im Auge haben, sondern im Sinne einer auch sozia- (C)<br />
dieser Behinderungen wären vielfach vermeidbar und len und ökologischen Selbstverantwortung – Corporate<br />
entstehen durch Armutsfaktoren. Behinderung führt in Social Responsibility – in anderen Ländern tätig werden.<br />
Entwicklungsländern allzu oft nicht nur zu sozialer Aus- Mehr und mehr aufgeklärte Konsumenten und Konsugrenzung,<br />
Diskriminierung und zur materiellen Verelenmentinnen, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen<br />
dung der einzelnen unmittelbar von Behinderung betrof- haben in der Vergangenheit durch ihr Verhalten bzw.<br />
fenen Menschen. Tatsächlich ist die Problematik von durch weltweit wirksame Kampagnen bewiesen, dass es<br />
solchem Ausmaß, dass die volkswirtschaftlichen Folge- ihnen nicht nur auf die Produkte ankommt, sondern auch<br />
kosten von Behinderung eine erhebliche Belastung für auf die Art und Weise ihrer Produktion.<br />
die jeweilige nationale Wirtschaft sind. Zwischen Armut,<br />
Unterentwicklung und Behinderung besteht ein unbestreitbarer<br />
struktureller Zusammenhang.<br />
In dem Antrag „Entwicklungspartnerschaften mit der<br />
Wirtschaft weiterentwickeln – gemeinsam Armut bekämpfen“,<br />
den wir heute diskutieren, geht es besonders<br />
Mit unserem Antrag fordern wir, die Behindertenar- um ein Programm der Bundesregierung zur Förderung öfbeit<br />
als eine Querschnittsaufgabe der Entwicklungszufentlich-privater Partnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
zu begreifen. Es muss uns bewusst wersammenarbeit, Public Private Partnership. Wir diskutieden,<br />
dass wir mit der Berücksichtigung der Belange ren also weniger über die gesamte Breite wirtschaftlicher<br />
behinderter Menschen auch an den Kernfragen von Ar- Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern,<br />
mutsbekämpfung und Entwicklung ansetzen. Ich bitte zum Beispiel durch die KFW oder die Deutsche Investi-<br />
Sie dafür um Ihre Mithilfe. Es wäre ein schönes Zeichen, tions- und Entwicklungsgesellschaft, sondern über die<br />
wenn Sie sich dazu im Interesse der Sache unserem Antrag<br />
anschließen würden.<br />
Bedeutung der Entwicklungspartnerschaft mit der Privatwirtschaft,<br />
die im Wesentlichen durch die PPP-Fazilität<br />
gefördert wird.<br />
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir ha- Um es vorweg zu sagen: Ich halte diese Form der Koben<br />
im <strong>Bundestag</strong> in den entwicklungspolitischen Deoperation mit der Wirtschaft für sinnvoll, wenn sie zwei<br />
batten in jüngster Zeit über die Bedeutung der Entwick- Dinge erreicht. Es sollte erstens erreicht werden, dass inlungsziele<br />
der Vereinten Nationen – Millennium novative Einzelprojekte gefördert werden können – und<br />
Development Goals – debattiert. Dabei ist vielfach un- dies nicht nur in unseren Schwerpunktpartnerländern,<br />
terstrichen worden, dass neben einem substanziellen sondern auch in anderen Ländern. Zweitens sollte er-<br />
Beitrag der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, reicht werden, dass in bestimmten Sektoren Partner-<br />
einer vorteilhafteren Integration in die Weltwirtschaft schaften, die im Entwicklungsjargon so genannten stra-<br />
(B)<br />
und der Überwindung von internen Entwicklungshemmnissen<br />
auch die Rolle privater Unternehmen relevant für<br />
tegischen Allianzen, gebildet werden können. Wir sagen<br />
aber genauso deutlich: Wir müssen bei den Programmen (D)<br />
eine nachhaltige Entwicklung in Entwicklungs- und sicherstellen, dass keine „Mitnahmeeffekte“ entstehen,<br />
Schwellenländern ist.<br />
sie nicht als klassische Außenwirtschaftsforderung zu<br />
Dabei gerät oft und berechtigt das Verhalten transnationaler<br />
Unternehmen in den Fokus der Debatte. Sie<br />
können ganz erheblich zur Förderung sozialer und ökologischer<br />
Standards beitragen. Zu meinem Bedauern<br />
verstehen sind. Unsere Zielrichtung liegt darin, einen<br />
entwicklungspolitischen Mehrwert durch die Mobilisierung<br />
von zusätzlichen privaten Mitteln für sinnvolle Projekte<br />
zu erzielen.<br />
existiert bislang noch kein verbindlicher Rahmen bzw. Es liegt ebenso darin, Projekte zu fördern, die ohne<br />
keine Konvention zur Durchsetzung sozialer und ökolo- die Zusammenarbeit mit einer staatlichen Durchfühgischer<br />
Standards. In Abwesenheit verbindlicher Regeln rungsorganisation nicht zustande kämen, Projekte, die<br />
unterstützen wir die Förderung freiwilliger Vereinbarun- sinnvoll für die Verbreitung angepasster Technologien<br />
gen, Verhaltenskodizes, die OECD-Richtlinien für trans- sind, wie in Nicaragua, wo Solartechnologie, ökologisch<br />
nationale Unternehmen. Vor allem unterstützen wir auch orientierter Tourismus und die Ausbildung von Techni-<br />
den Global Compact, den der Generalsekretär der Verkern in einem Projekt gemeinsam mit der Landkooperaeinten<br />
Nationen, Kofi Annan, ins Leben gerufen hat und tive Miraflor und anderen Partnern umgesetzt werden, in<br />
bei dem sich Unternehmen zur Einhaltung und Förde- Kenia beim Aufbau einer Biogasanlage oder aber der<br />
rung von Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstan- Einführung der Solarenergie auf dem Lande in marokkadards<br />
selbst verpflichten. Die Zahl der Unternehmen, die nischen Dörfern, sinnvoll für die Bekämpfung der Ar-<br />
sich dem Global Compact angeschlossen haben, ist stark mut oder die Verbesserung der medizinischen Grundver-<br />
gestiegen. Gleichwohl ist die Zahl der deutschen Untersorgung. Dies geschieht in verschiedenen afrikanischen<br />
nehmen noch relativ klein.<br />
Staaten durch den Aufbau von Gesundheitsstationen und<br />
Wir Grünen würden sehr begrüßen, wenn mehr deutsche<br />
Unternehmen, die international tätig sind, sich die-<br />
eine verbesserte Versorgung mit Medikamenten, durch<br />
PPP-Kooperation.<br />
ser Initiative anschließen würden. Das beinhaltet auch, Im Einzelfall sind selbst unter schwierigen Bedingun-<br />
dass transparent nachvollziehbar wird, wie durch eine gen PPP-Projekte möglich. So wird in der Provinz Bu-<br />
vorbildliche Geschäftspolitik ökonomische Interessen kavu in der Demokratischen Republik Kongo mit der<br />
mit sozialen und ökologischen Interessen verbunden Firma Pharmakina PPP ein Gesundheitszentrum aufge-<br />
werden können. Ich bin im Übrigen davon überzeugt, baut, das antiretrovirale Medikamente für an HIV/Aids<br />
dass Unternehmen besonders dann eine langfristige Per- erkrankte Menschen selbst herstellt und vertreibt. Damit<br />
spektive haben, wenn sie nicht nur die kurzfristige Bi- werden Arbeitsplätze geschaffen und den Ärmsten in der