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Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag

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Günter Baumann<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10371<br />

(A) nicht gefallen lassen. Das ist eine Missachtung des Par- Er wurde aber über Jahre hinweg bitter enttäuscht. Nach (C)<br />

laments, der Abgeordneten.<br />

sieben Jahren teilte ihm das Landesvermögensamt erst-<br />

(Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/<br />

DIE GRÜNEN und der FDP)<br />

mals mit, dass eine Rückgabe abgelehnt werde und kein<br />

Entschädigungsanspruch bestehe. An dieser Haltung hat<br />

sich in den Folgejahren nichts geändert. Das Landesver-<br />

Auch das Recht, Akten einzusehen oder einen Vertremögensamt beruft sich auf den Restitutionsausschluss<br />

ter der Bundesregierung anzuhören, erweist sich gele- bei Enteignungen in den Jahren 1945 bis 1949. Dass die<br />

gentlich als hilfreich. Dabei ist manchmal erstaunlich, erste Enteignung durch die Gestapo erfolgte, wird nicht<br />

mit welcher Hartnäckigkeit manche Institutionen ein Ge- anerkannt.<br />

spräch mit dem Ausschuss verweigern, wobei wir doch<br />

gerade in diesen Gesprächen eine Reihe von Fragen klären,<br />

die jeweiligen Standpunkte austauschen und oft<br />

auch Kompromisse finden können.<br />

Meine Vorredner wiesen bereits darauf hin, dass im<br />

Petitionsausschuss vieles im Konsens geschieht. Aber<br />

Kurz nach der Wende waren die lukrativen Grundstücke<br />

zu Niedrigstpreisen an ehemalige Funktionäre der<br />

DDR verkauft worden. Der Petent hat einen sehr bösen<br />

Verdacht: Wollte etwa die Landesbehörde diese Verkäufe<br />

in irgendeiner Form schützen?<br />

hin und wieder lassen sich die Standpunkte der Fraktio- Der Petitionsausschuss des <strong>Bundestag</strong>s hat sich all die<br />

nen nicht miteinander vereinbaren. Dann bleibt für die Jahre mit mehreren Erwägungsbeschlüssen parteiüber-<br />

Oppositionsfraktionen die Möglichkeit, eine Einzelausgreifend für den Petenten eingesetzt. Das Problem war<br />

weisung zu verlangen oder einen Änderungsantrag zu aber, dass aufgrund der bundesstaatlichen Ordnung die<br />

stellen. Dies haben wir im letzten Jahr zweimal getan. Landtage für die Landesbehörden zuständig sind. Der<br />

Einmal ging es um den Erhalt des Bundeswehrstandortes brandenburgische Landtag ist der Meinung des branden-<br />

in Bayreuth. Zum anderen wollten wir der sudetendeutburgischen Landesvermögensamts gefolgt, sodass zuschen<br />

Ackermann-Gemeinde, einer hoch angesehenen nächst keine Hilfe möglich war. Dennoch könnte die Pe-<br />

katholischen Gemeinschaft, zu einem Kulturreferenten tition jetzt noch ein gutes Ende finden. Der Bund hat den<br />

verhelfen, um etwas zur deutsch-tschechischen Versöh- Vermögensanspruch des Petenten bereits anerkannt. Das<br />

nung beizutragen. Wir haben aber leider keine Mehrheit ist der erste Erfolg.<br />

(B)<br />

im Ausschuss gefunden.<br />

Die große Zahl von Eingaben macht auch deutlich,<br />

dass die Menschen in Deutschland große Hoffnungen in<br />

uns setzen. Oft ist eine Petition ihre letzte Möglichkeit,<br />

Hilfe zu bekommen, weil sie schon an vielen Behörden<br />

und anderen Stellen gescheitert sind.<br />

Der zweite Erfolg könnte sich daraus ergeben, dass<br />

wir zum 1. Januar 2004 im <strong>Bundestag</strong> eine Gesetzesänderung<br />

beschlossen haben, derzufolge das Bundesvermögensamt<br />

für Enteignungen aus der NS-Zeit zuständig<br />

ist. Damit kann nun dem Petenten nach fast 60 Jahren<br />

Gerechtigkeit widerfahren.<br />

(D)<br />

Als Abgeordneter aus Sachsen möchte ich einige Beispiele<br />

aus der Arbeit des Ausschusses aus den neuen<br />

Bundesländern vortragen. Ein entscheidendes Thema ist<br />

dabei die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie<br />

bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE<br />

GRÜNEN und der FDP)<br />

Dazu zählen insbesondere offene Vermögensfragen.<br />

Viele Petenten klagen über willkürliche Entscheidungen<br />

der Landesvermögensämter. Ein Fall, in dem wir 2003<br />

endlich Fortschritte erzielen konnten, ist wegen seiner<br />

menschlichen und historischen Dimension besonders<br />

dramatisch, weil sich hier die kommunistische und die<br />

nationalsozialistische Unrechtsepoche bei einer Person<br />

überschneiden.<br />

Der Petitionsausschuss erfährt auch immer wieder<br />

von DDR-Recht, das im Einigungsvertrag übersehen<br />

worden ist, zum Beispiel die so genannten stecken<br />

gebliebenen Entschädigungen. Dabei handelt es sich<br />

um Entschädigungen, die nach den Enteignungsgesetzen<br />

zwar der DDR zugesprochen, aber in der Praxis nicht geleistet<br />

worden sind. Wer nun glaubte, nach der Wende einen<br />

Anspruch auf eine solche Entschädigung geltend<br />

Ein Bürger aus Brasilien, der 1997 80 Jahre alt war<br />

und von Sozialhilfe lebt, hat sich an den Petitionsausschuss<br />

gewandt, weil ihm das brandenburgische Landes-<br />

machen zu können, wurde von den Vermögensämtern<br />

schwer enttäuscht. Für eine Auszahlung fehlte im Vermögensgesetz<br />

die rechtliche Grundlage.<br />

vermögensamt die Rückgabe seines ehemaligen Familienbesitzes<br />

verweigert hatte. Die Familie des Petenten<br />

war 1945 – das ist zu beachten – gleich zweimal enteignet<br />

worden, und zwar erst von der Gestapo und dann von<br />

der sowjetischen Militäradministration. Der Vater wurde<br />

von der Gestapo erschossen und die Mutter hat sich aus<br />

Verzweiflung selbst das Leben genommen. Zu DDR-<br />

Zeiten wurden die an einem See in Brandenburg gelegenen<br />

herrlichen Wassergrundstücke des ehemaligen Landwirtschaftsbetriebs<br />

als so genannte Wochenendgrundstücke<br />

an Funktionäre des DDR-Regimes vergeben.<br />

Der Petitionsausschuss hat dieses Thema jahrelang<br />

immer wieder aufgegriffen und entsprechende Beschlüsse<br />

gefasst. Wir konnten im Dezember vergangenen<br />

Jahres im <strong>Bundestag</strong> das Entschädigungserfüllungsgesetz<br />

verabschieden, sodass den Bürgern im Prinzip<br />

geholfen werden konnte. Aber bedauerlicherweise ist<br />

der Anspruch auf sechs Monate befristet. Diese Frist ist<br />

leider gestern abgelaufen, sodass sicherlich einige diese<br />

Frist versäumt haben. Vielen ist aber bestimmt geholfen<br />

worden. Ich denke, wenn weitere Fälle bekannt werden,<br />

dann werden wir sicherlich wie bisher parteiübergrei-<br />

Als der Petent in Brasilien von der Wende erfuhr, fend Möglichkeiten finden, um diesen Menschen zu hel-<br />

hatte er die Hoffnung, endlich Gerechtigkeit zu erfahren. fen.

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