Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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10404 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />
Thomas Dörflinger<br />
(A) dass es mit Kenntnis der Sprache des Nachbarlandes Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:<br />
(C)<br />
doch etwas einfacher wäre.<br />
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartmut<br />
Wir können uns beispielsweise dem Ziel zuwenden, Büttner (Schönebeck), Arnold Vaatz, Wolfgang<br />
gemeinsame Foren für gesellschaftliches Engagement Bosbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion<br />
zu bilden und dort nach Verbesserungsmöglichkeiten zu der CDU/CSU<br />
suchen. Wir können etwa der Frage nachgehen – ich<br />
wähle ein Beispiel aus unserem Fachressort –, worin die<br />
Schwierigkeiten beim Europäischen Freiwilligendienst<br />
begründet sind, weil das nicht am fehlenden guten Wil-<br />
Jährliche Debatte zum Stand der Rehabilitierung<br />
und Entschädigung der Opfer der SED-<br />
Diktatur<br />
len, sondern an den unterschiedlichen Sozialversicherungssystemen<br />
scheitert. Man könnte die funktionierenden<br />
Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich<br />
zur Grundlage nehmen und ausprobieren, ob man im bilateralen<br />
Verhältnis mit Frankreich eine Lösung erarbei-<br />
– Drucksache 15/2818 –<br />
Überweisungsvorschlag:<br />
Rechtsausschuss (f)<br />
Innenausschuss<br />
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung<br />
ten kann, die anschließend auch eine tragfähige Basis für<br />
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe<br />
die Partnerschaft mit anderen europäischen Staaten bilden<br />
kann. Wenn wir so etwas schaffen, haben wir, glaube<br />
ich, einen wesentlichen Beitrag geleistet.<br />
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die<br />
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre<br />
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.<br />
Die deutsch-französischen Beziehungen sind zu<br />
Recht immer wieder als modellhaft für den Bau des gemeinsamen<br />
Hauses Europa gewürdigt worden. Sie sind<br />
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin<br />
Maria Michalk, CDU/CSU-Fraktion.<br />
es zweifelsohne auch. Wenn uns in einiger Zeit die ersten<br />
Ergebnisse der Neustrukturierung des Deutsch-Fran-<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
(B)<br />
zösischen Jugendwerks vorliegen, sollten wir das zum<br />
Anlass nehmen, einen Schritt weiter zu gehen, andere<br />
Jugendwerke und vergleichbare Einrichtungen nach denselben<br />
Grundsätzen zu überprüfen, aber auch einen Gedanken<br />
daran zu verschwenden, ob die Erfahrungen, die<br />
wir in 40 Jahren hier gemacht haben und die gut waren,<br />
auch Grundlage für ähnliche Einrichtungen beispielsweise<br />
mit den Staaten Mittel- und Osteuropas sein können.<br />
Maria Michalk (CDU/CSU):<br />
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor<br />
51 Jahren verhängte die sowjetische Militäradministration<br />
über 167 Land- und Stadtkreise der DDR den<br />
Ausnahmezustand. In weit über 1 000 Betrieben und Genossenschaften<br />
kam es zum Streik. Über 1 Million Menschen<br />
beteiligten sich an diesem Volksaufstand. Sie erstürmten<br />
über 250 öffentliche Gebäude, darunter fünf<br />
(D)<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, des MfS-Kreisdienststellen und zwei SED-Bezirksleitungen.<br />
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Die Menschen versammelten sich auch vor Gefängnis-<br />
FDP)<br />
sen, denn sie hatten das Ziel, die politischen Häftlinge<br />
Wir als <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> geben heute unserer Regierung<br />
einen Auftrag und das französische Parlament<br />
wird Entsprechendes am 23. Juni in der Assemblée nationale<br />
tun. Bei aller verständlichen Begeisterung für<br />
zu befreien. Aus zwölf Haftanstalten sind knapp<br />
1 400 Häftlinge befreit worden, von denen allerdings einen<br />
Monat später schon wieder 1 200 eingesperrt waren.<br />
Die anderen konnten in den Westen flüchten.<br />
Deutschland und Frankreich sind unser aller Augen in<br />
diesen Tagen aber vermutlich auf ein anderes europäisches<br />
Land besonders gerichtet, nämlich auf Portugal.<br />
Lassen Sie mich deshalb mit einem Satz schließen, der<br />
sich insbesondere an unsere französischen Gäste wendet.<br />
Mit Blick auf den heutigen Abend rufe ich Ihnen zu:<br />
Bonne chance! Allez les Bleus!<br />
Herzlichen Dank.<br />
Die Hauptforderungen im gesamten Land lauteten:<br />
Nieder mit der SED! Freie Wahlen! Freilassung aller<br />
politischen Häftlinge! – Vorsichtig wurde auch der Gedanke<br />
der Wiedervereinigung geäußert. Daneben waren<br />
in allen Orten sozialpolitische Fragestellungen virulent,<br />
die den Arbeits- und Lebensalltag betrafen.<br />
Die Vorkommnisse nutzte die politische Führung,<br />
um für eine harte Bestrafung der Angeklagten zu plädie-<br />
(Beifall im ganzen Hause)<br />
ren. Ein Beispiel: Der selbstständige Fotograf Lothar<br />
Markwirth wurde von den Staatsorganen zum Haupträdelsführer<br />
bei den Ereignissen in der Dienststelle des<br />
MfS in Niesky, einer kleinen Stadt in der Nähe der<br />
deutsch-polnischen Grenze, abgestempelt. Per Gnadenentscheid<br />
vom 28. August 1956 wurde seine lebenslange<br />
Haftstrafe in 15 Jahre Zuchthaus umgewandelt. 1964 erfolgte<br />
seine Entlassung als Letzter von den Verurteilten<br />
des 17. Juni 1953. Er saß also elf Jahre in Haft.<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:<br />
Ich schließe die Aussprache.<br />
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der<br />
Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/<br />
Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/3326 mit<br />
dem Titel „Evaluierung des Deutsch-Französischen Jugendwerkes“.<br />
Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenstimmen?<br />
– Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den<br />
Stimmen des ganzen Hauses angenommen.<br />
(Beifall im ganzen Hause)<br />
Obwohl die Ereignisse um den 17. Juni von der SED-<br />
Führung als faschistischer Putschversuch abgetan wurden<br />
und an den Schulen und in der Öffentlichkeit keine<br />
ernsthafte Auseinandersetzung erfolgte, lebte dieses Er-