Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Hans-Joachim Hacker<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10407<br />
(A) jegliche Erscheinungsformen von Intoleranz und Demo- Deshalb hat die FDP-<strong>Bundestag</strong>sfraktion ein drittes (C)<br />
kratiefeindlichkeit zusammenstehen.<br />
SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vorgelegt, das eine<br />
Vielen Dank.<br />
monatliche Rente in Höhe von 500 Euro für die Opfer<br />
politischer Verfolgung vorsieht. Leider haben sich die<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Koalitionsfraktionen nicht zu dieser unbürokratischen<br />
Hilfe für die Opfer durchringen können.<br />
Die FDP lässt sich jedoch nicht entmutigen. Wer Wi-<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: derstand gegen das SED-Unrechtsregime geleistet und<br />
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Haupt, FDP- für Demokratie und Freiheit erhebliche persönliche und<br />
Fraktion.<br />
soziale Nachteile in Kauf genommen hat, muss heute in<br />
vielen Fällen mit einer spärlichen Mindestrente auskom-<br />
Klaus Haupt (FDP):<br />
men. Das empfinden wir als ungerecht.<br />
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Der 17. Juni 1953 präsentierte der gesamten Weltöffent-<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
lichkeit die brutale Gewalttätigkeit der zweiten deutschen<br />
Diktatur. Der 17. Juni ist ein Tag, an dem wir alle<br />
uns daran erinnern, dass die DDR nicht so war, wie es<br />
heute in vernebelnder und verklärender Ostalgie in Fern-<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:<br />
Herr Kollege Haupt, gestatten Sie eine Zwischenfrage<br />
des Kollegen Hacker?<br />
sehsendungen, in Filmen und auf Veranstaltungen oft<br />
scheint.<br />
„Zur Zukunft gehört die Erinnerung“ war deshalb<br />
Klaus Haupt (FDP):<br />
Ja, bitte.<br />
(B)<br />
Motto eines gestern abgeschlossenen Pilotprojektes in<br />
meiner Heimatstadt Hoyerswerda, das ich in Zusammenarbeit<br />
mit den Schulen und anderen Verbündeten<br />
initiiert hatte. Es ermöglichte gerade jungen Menschen,<br />
eine Zeit kennen zu lernen, die sie selbst nicht kennen<br />
gelernt haben. Ein halbes Jahr lang konnten die Schülerinnen<br />
und Schüler durch Gespräche mit Zeitzeugen, einen<br />
Projekttag im Bautzener Staatssicherheitsgefängnis,<br />
ein Theaterstück und eine Diskussionsveranstaltung mit<br />
Marianne Birthler authentische Einblicke in die jüngste<br />
Vergangenheit gewinnen. Gestern fand dieses Projekt<br />
seinen Abschluss in Gesprächen mit zwölf Opfern der<br />
DDR-Staatssicherheit. Alle Beteiligten waren sich einig,<br />
Hans-Joachim Hacker (SPD):<br />
Herr Haupt, mir liegen das Schicksal und die soziale<br />
Situation der Opfer der SED wie Ihnen am Herzen. Ich<br />
möchte Sie trotzdem etwas fragen. Es ist bekannt, dass<br />
die Opfer der NS-Diktatur nicht schon für die Zeit der<br />
Haft in Konzentrationslagern und Zuchthäusern Rentenansprüche<br />
erworben haben, sondern nur dann, wenn sie<br />
in ihrer Gesundheit geschädigt wurden oder einen ganz<br />
konkreten Nachweis führen konnten. Ich möchte wissen:<br />
Wie können Sie es vertreten, hier für eine Opfergruppe<br />
eine pauschale Rente zu fordern, während Sie einer anderen<br />
Opfergruppe diese nicht zugestehen?<br />
(D)<br />
dass dieses bis jetzt einmalige Modellprojekt in ganz<br />
Deutschland Nachahmung finden sollte. Denn: Die<br />
junge Generation ist zwar nicht verantwortlich für die<br />
Vergangenheit, aber verantwortlich für das, was in der<br />
Zukunft kommt.<br />
Klaus Haupt (FDP):<br />
Kollege Hacker, gestatten Sie mir eine erste Bemerkung.<br />
Ich finde alle Versuche, die einen Opfer gegen die<br />
anderen auszuspielen, schäbig. Sie versuchen das in Ihren<br />
Argumentationen jedoch immer wieder.<br />
Aufklären statt verklären ist notwendiger denn je.<br />
So ist der 17. Juni auch ein Tag, um den Blick nach<br />
vorne zu richten. Hierzu gehört es – darauf hat Bundespräsident<br />
Rau zu Recht hingewiesen –, den Opfern des<br />
SED-Unrechts rechtliche Rehabilitierung und mate-<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ute<br />
Kumpf [SPD]: Das ist zynisch!)<br />
Meine zweite Bemerkung. Unser Antrag sah eine unbürokratische<br />
Vorgehensweise vor,<br />
rielle Entschädigung zukommen zu lassen.<br />
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNISS 90/<br />
Das vereinte Deutschland hat sich dieser Aufgabe gestellt,<br />
sie aber noch nicht zu Ende geführt. Durch ver-<br />
DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Bürokratie,<br />
sondern um Gerechtigkeit!)<br />
schiedene Gesetze haben wir seit 1992 versucht, den Opfern<br />
des DDR-Unrechtsregimes zu helfen. Doch noch<br />
immer warten Opfer politischer Verfolgung auf eine angemessene<br />
finanzielle Wiedergutmachung für erlittenes<br />
Leid.<br />
weil dieser Nachweis in der Praxis – das wissen Sie ganz<br />
genau – nicht so einfach zu führen und juristisch höchst<br />
problematisch ist. Deshalb versuchen wir mit unserem<br />
Antrag, den direkt Betroffenen – sie sind im Rentenalter<br />
– mit einer unbürokratischen 500-Euro-Entschädi-<br />
(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist es!) gung zu helfen. So einfach ist das.<br />
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom<br />
28. April 1999 hat sich die Gerechtigkeitslücke zwi-<br />
(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das beantwortet<br />
meine Frage aber nicht!)<br />
schen Verfolgten und Verfolgern weiter vergrößert. – Damit müssen Sie leben, nicht ich.<br />
(Beifall des Abg. Hartmut Büttner [Schöne-<br />
Die FDP unterstützt daher den vorliegenden Antrag<br />
beck] [CDU/CSU])<br />
der Union. Er hält die Erinnerung an den 17. Juni