Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Bundesministerin Renate Künast<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10325<br />
(A) Wir haben darüber hinaus mit dem Thema Gemein- Alter – Gesund essen, besser leben“ begonnen, bei der (C)<br />
schaftsverpflegung noch einen weiteren Ansatz ver- sich die Bundesregierung gezielt an die älteren Mitbürfolgt.<br />
Denn die Gemeinschaftsverpflegung nimmt zu gerinnen und Mitbürger wendet und bei der wir die ent-<br />
und sie löst bei manchen Kindern und Erwachsenen das sprechenden Verbände mit einbeziehen, die ihrerseits<br />
Problem erst aus. Deshalb beziehen wir in das 4-Milliar- Handlungsbedarf festgestellt haben.<br />
den-Euro-Programm „Zukunft, Bildung und Betreuung“,<br />
mit dem das Angebot an Ganztagsschulen in der Bundesrepublik<br />
erhöht werden soll, auch die Gemeinschaftsverpflegung<br />
mit ein, zum Beispiel wenn es darum geht,<br />
die entsprechenden Küchen zu bauen.<br />
Wir haben mit der finanziellen Unterstützung von<br />
Qualitätsstandards zur Ernährung und Flüssigkeitsversorgung<br />
älterer Menschen auch den nötigen wissenschaftlichen<br />
Hintergrund entwickelt, um allen ambulanten<br />
und stationären Institutionen zu Hilfe zu kommen.<br />
Das ist aber noch nicht alles. Wir haben einen Anfang<br />
gemacht und verfolgen es wegen der riesigen Nachfrage<br />
auch weiter – wir haben es bereits im Haushalt<br />
verankert –, indem wir allen Schulen, die bereits einen<br />
Ganztagsbetrieb anbieten oder eine Ganztagsschule werden<br />
wollen, einen kostenlosen Beratungsservice über die<br />
Deutsche Gesellschaft für Ernährung anbieten, damit sie<br />
selbst das Thema Ernährung aufbereiten, sich entsprechend<br />
ausrüsten und lernen können, wie das Angebot gestaltet<br />
werden kann. Unser Angebot wird auch angenommen,<br />
weil das Problem an Schulen allgemein bekannt ist.<br />
Ich habe jetzt viel darüber geredet, was wir begonnen<br />
haben. Aber klar ist, dass Prävention gerade in diesem<br />
Bereich definitiv nicht allein vom Staat getragen werden<br />
kann. Sie muss vielmehr von der Gesellschaft gewollt<br />
und gelebt werden. Die Gesellschaft muss verstehen<br />
– ich erinnere daran –, dass sich seit den 80er-Jahren der<br />
Lebensstil und das Lebensmittelangebot so verändert haben,<br />
dass uns im Jahr – mit steigender Tendenz –<br />
70 Milliarden Euro an Gesundheitskosten aufgebürdet<br />
werden. Wenn wir wollen, dass es eine Veränderung der<br />
Lebensgewohnheiten gibt, dann müssen wir bedenken,<br />
Das „Deutsche Forum Prävention und Gesundheitsförderung“<br />
erarbeitet zurzeit sogar Empfehlungen<br />
für gesundheitsförderliche Ganztagsschulen. Dieser Ansatz<br />
umfasst weit mehr als das Thema Ernährung. Wir<br />
arbeiten an den notwendigen wissenschaftlichen Grund-<br />
dass das nicht von heute auf morgen zu erreichen ist.<br />
Das ist vielmehr ein Prozess, der von vielen Schultern<br />
getragen werden muss. Dazu brauchen wir ein breites<br />
gesellschaftliches Bündnis mit dem ganzen Sachverstand,<br />
den wir in diesem Land haben.<br />
(B)<br />
lagen. Die Bundesregierung finanziert mit dem Modellvorhaben<br />
„Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung<br />
in Schulen“ die Erarbeitung solcher Konzepte. Wir<br />
finanzieren im Rahmen sozialökologischer Forschung<br />
die Entwicklung von Strategien, die die subjektiven Faktoren<br />
einbeziehen, und wir haben einen weiteren Fokus,<br />
und zwar die außerschulische Jugendbildung, in der wir<br />
zahlreiche Projekte – zum Beispiel von sportorientierten<br />
Jugendverbänden – unterstützen. Wie Sie alle wissen,<br />
haben die wirklich dicken Kinder das Problem, dass es<br />
für sie bisher kaum ein Angebot gibt. Wir brauchen in<br />
der Bundesrepublik ein flächendeckendes Angebot, das<br />
Sport, Soziales und Freizeit für diese Kinder miteinander<br />
verbindet, um sie in entsprechenden Gruppen in der Bewältigung<br />
ihres Problems zu unterstützen.<br />
Wir haben alle gesellschaftlichen Akteure zusammengeholt<br />
und bauen eine Plattform „Ernährung und Bewegung“.<br />
Ich hoffe, dass wir Ende dieses Monats mit<br />
den entsprechenden Akteuren diese Gründung tatsächlich<br />
vorstellen werden. Wir haben die Verbände der Lebensmittelwirtschaft<br />
sowie die Vertretung der Eltern, des<br />
Sports, der Kinderheilkunde bis hin zu den Gewerkschaften<br />
einbezogen. Auch Krankenkassen haben ihr Interesse<br />
bekundet. Wir wollen mit mehreren Ressorts und<br />
selbstverständlich unter Einbeziehung der Länder hier<br />
ein breites Bündnis hinbekommen, um dafür Sorge zu<br />
tragen, dass das, was getan werden muss, nicht hier und<br />
da, also in einzelnen Sektoren passiert, sondern dass es<br />
flächendeckende Angebote gibt. In guten Kindergärten<br />
und Schulen sollte es zum Standard gehören, Vorgaben<br />
(D)<br />
Ich möchte beim Thema Ernährung eine Zielgruppe<br />
ansprechen, die eine besondere Rolle spielt und sozusagen<br />
am anderen Ende des Lebens steht. Dabei handelt es<br />
sich um die Seniorinnen und Senioren. Gesundheit ist<br />
auch für sie ein zentrales Gut, um diese Phase ihres Lebens<br />
wohlverdient genießen zu können. Viele ältere<br />
für gute Ernährung und Bildung zu entwickeln. Hier soll<br />
aber niemand etwas doppelt oder dreifach machen. Wir<br />
wollen das Wissen zusammenpacken und wollen, dass<br />
dieses Thema für die Kinder – bis hin zur Freizeitgestaltung<br />
– adäquat aufbereitet wird, damit sich ein anderer<br />
Ernährungsstil entwickeln kann.<br />
Menschen ernähren sich bekanntlich zu einseitig; sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
trinken zu wenig und sie bewegen sich zu wenig. Das ist und bei der SPD – Hans-Michael Goldmann<br />
ein Problem, das – wenn sie sich nicht mehr selbst er- [FDP]: Sehr gut! Können wir auch Mitglied<br />
nähren können – bei der Gemeinschaftsverpflegung in werden?)<br />
Heimen und Krankenhäusern auftritt.<br />
– Wenn Sie möchten, dürfen auch Sie.<br />
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Okay, dann<br />
gebe ich Ihnen gleich meine Beitrittserklärung!)<br />
Wir wissen, dass zur Erhaltung der körperlichen und<br />
geistigen Fitness im Alter eine angepasste Ernährungsweise<br />
unabdingbar ist, weil sich die Bedürfnisse des<br />
Körpers massiv wandeln. Wie gravierend diese Folgen<br />
sein können, wurde während der letzten Hitzeperiode<br />
deutlich, als viele ältere Menschen mit folgenschweren<br />
Kreislaufbeschwerden in Krankenhäuser eingeliefert<br />
wurden. Deshalb haben wir die Kampagne „Fit im<br />
Wir wissen – ich hoffe, dass ich das hinreichend dargestellt<br />
habe –: Gute Ernährung entscheidet über die<br />
Chancen eines Kindes und eines Jugendlichen im weiteren<br />
Leben. Wir sehen heute, dass gerade Kinder aus