Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Dr. Gesine Lötzsch<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10463<br />
(A) (Vera Lengsfeld [CDU/CSU]: Mensch, setzen dafür aber sieben Mal Hitlers Marinerichter Filbinger, (C)<br />
Sie sich lieber einmal mit Ihrer eigenen Ge- der auch noch Ehrenvorsitzender der CDU in Badenschichte<br />
auseinander!)<br />
Württemberg ist.<br />
Frau Roth hat eben schon Briefe zitiert. Ich möchte ein<br />
(Widerspruch von der CDU/CSU)<br />
weiteres Zitat hinzufügen. Dr. Jan Munk, Direktor der<br />
Gedenkstätten Theresienstadt und Vorsitzender der Föderation<br />
der Jüdischen Gemeinde in der Tschechischen<br />
Republik, schrieb mir, dass die Umsetzung dieses Antrages<br />
„auch in den Nachbarländern und anderswo in der<br />
Welt … Besorgnis hervorrufen könnte.“<br />
Ich frage Frau Merkel – sie ist leider nicht anwesend,<br />
aber sie trägt die Verantwortung – : Was will die CDU<br />
jungen Menschen – ich will es wiederholen; es scheint<br />
Sie aufzuregen – mit der siebenfachen Nominierung von<br />
Herrn Filbinger eigentlich sagen? Wollen Sie damit sagen<br />
– Zitat Filbinger – : „Was früher Recht war, kann<br />
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Dass Sie sich<br />
nicht schämen – am 17. Juni!)<br />
heute nicht Unrecht sein“? Wollen Sie damit sagen, dass<br />
Nibelungentreue zu einem verbrecherischen System belohnt<br />
werden muss?<br />
Ähnliche Briefe bekamen wir alle aus den USA, Österreich<br />
und Norwegen. Ich finde es schon unverfroren,<br />
meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie hier ei-<br />
(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das sind ganz<br />
alte Kamellen!)<br />
nen Antrag auf die Tagesordnung setzen, der schon ein- Der Antrag der CDU/CSU ist an Boshaftigkeit und<br />
mal aufgrund von massiven Protesten zurückgezogen Tücke nicht zu überbieten.<br />
werden musste. Nun wird er von Ihnen wieder fast unverändert<br />
in den <strong>Bundestag</strong> eingebracht.<br />
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das muss gerade<br />
die PDS sagen!)<br />
(Günter Nooke [CDU/CSU]: Weil schon damals<br />
die Kritik nicht substanziell war!)<br />
Er schadet dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Ich fordere Sie auf – damit schließe ich mich mei-<br />
Das zeigt, wie Sie von der CDU mit öffentlicher Kritik<br />
umgehen: Sie wird einfach ignoriert.<br />
nen Vorrednern außer denen der CDU/CSU an – , diesen<br />
Antrag zurückzuziehen.<br />
Herr Nooke und Kollegen, um es ganz deutlich zu sa-<br />
Vielen Dank.<br />
gen: Es geht Ihnen nicht um die Opfer in der DDR, son- (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] –<br />
dern es geht darum, mit der DDR-Geschichte die NS- Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen den An-<br />
(B)<br />
Geschichte reinzuwaschen. Es geht um selbsternannte<br />
Opfer wie Hitlers Marinerichter Filbinger, den Sie als<br />
trag mal lesen! – Maria Michalk [CDU/CSU]:<br />
Diesmal haben Sie vergessen, zu sagen, dass (D)<br />
CDU für die Wahl des Bundespräsidenten nominiert hatten.<br />
Sie von der PDS sind!)<br />
(Vera Lengsfeld [CDU/CSU]: Das ist wirklich<br />
unsäglich! Das müssen wir uns von Ihnen<br />
nicht anhören!)<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelika Krüger-<br />
Leißner von der SPD-Fraktion.<br />
Filbinger, der im Dienste eines verbrecherischen Systems<br />
noch kurz vor Kriegsende Todesurteile unterschrieb<br />
und an Exekutionen beteiligt war, wurde von der<br />
CDU als würdig empfunden, zum siebenten Mal einen<br />
Bundespräsidenten zu wählen.<br />
Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU/<br />
CSU, ist unglaubwürdig und reiner Ablasshandel. Sie<br />
sind bereit, Gedenkstätten zu bauen. Doch Sie sind nicht<br />
wirklich bereit, Ihr Denken zu ändern. Es ist doch hochgradig<br />
unglaubwürdig, wenn Sie einerseits ein Gedenkstättenkonzept<br />
von der Bundesregierung fordern – Frau<br />
Staatsministerin hat entsprechend darauf reagiert – und<br />
andererseits Hitlers Marinerichter Filbinger ehren, indem<br />
Sie ihn für die Bundesversammlung nominieren.<br />
Ich habe mich in Baden-Württemberg erkundigt. Es<br />
wurde bisher noch kein Widerstandskämpfer gegen den<br />
Faschismus durch die dortige CDU für die Wahl eines<br />
Bundespräsidenten nominiert,<br />
(Vera Lengsfeld [CDU/CSU]: Dafür nominiert<br />
die PDS Stasispitzel für die Bundesversammlung,<br />
Frau Lötzsch!)<br />
Angelika Krüger-Leißner (SPD):<br />
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und<br />
Kollegen! Nachdem die CDU/CSU ihren sehr umstrittenen<br />
Gedenkstättenantrag zurückgezogen hatte<br />
(Günter Nooke [CDU/CSU]: Wir haben den<br />
Antrag nicht zurückgezogen!)<br />
– ich meine den Antrag vom November – , habe ich<br />
ernsthaft gehofft, dass wir uns mit diesem Papier nicht<br />
mehr auseinander setzen müssen. Aber es kam anders.<br />
Gerade in der heutigen Debatte ist mir bewusst geworden,<br />
dass das, was die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten<br />
festgestellt hat, sehr wohl begründet ist,<br />
(Günter Nooke [CDU/CSU]: Wie kommt es,<br />
dass die Zeitungen und seriösen Kommentatoren<br />
das ganz anders sehen?)<br />
nämlich dass Sie ohne Grund den in einem langen Diskussionsprozess<br />
gefundenen Konsens einseitig aufkündigen.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)