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Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag

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10464 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />

Angelika Krüger-Leißner<br />

(A) Es ist mir absolut rätselhaft, was Sie getrieben hat, an (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE (C)<br />

diesem Entwurf weiterhin festzuhalten. Offenbar geht es<br />

GRÜNEN]: Ja, genau!)<br />

einigen Ihrer Fraktionskollegen, die ihre Unterstützung<br />

zurückgezogen haben, nicht anders. Diesen Punkt sollte<br />

man beachten.<br />

Hinzu kommt die Tatsache, dass die deutsche Leiderfahrung<br />

im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg bei<br />

der CDU derart prominent in Denkmale gefasst werden<br />

Dass wir in Bezug auf die Gedenkstätten noch einiges soll, dass eine Verwischung der Verantwortung sowie<br />

zu tun haben, ist offensichtlich. Das leugne ich auch gar eine falsche Darstellung von Ursache und Wirkung<br />

nicht. Aber wir können dies weiterhin sehr gut tun auf wahrscheinlich sind.<br />

der Grundlage des Gedenkstättenkonzepts der Bundesregierung,<br />

das die Ergebnisse der Enquete-Kommission<br />

widerspiegelt.<br />

Ich glaube, dass Sie einer gefährlichen Tendenz im<br />

aktuellen Umgang mit der Erinnerung an den Zweiten<br />

Weltkrieg aufgesessen sind, einer Tendenz, die ver-<br />

Wir wollen – es ist mir wichtig, dies zu erwähnen – , meintliche Zusammenhänge zwischen Verbrechen des<br />

dass die historische Forschung und der geschichtswis- NS-Regimes und dem Unrecht der DDR herstellt und<br />

senschaftliche Diskurs die Grundlage für die Entwick- eine Gleichsetzung beider Systeme und ihrer Opfer inlung<br />

der demokratischen Erinnerungskultur sind und tendiert. Das ist – lassen Sie sich das sagen! – historisch<br />

bleiben, und nicht die Politik. Denn das hatten wir schon falsch.<br />

in der DDR. An diesem Tag sollte man sich daran erinnern,<br />

Herr Nooke.<br />

(Günter Nooke [CDU/CSU]: Sagen Sie mir<br />

die Sätze, die falsch sind! Das ist doch totaler<br />

Ich frage mich also: Was verfolgen Sie mit diesem Unfug, was Sie hier machen! Lesen Sie Ihre<br />

Antrag? Bei meinen Überlegungen muss ich zunächst eigene Dokumentation! Lesen Sie die En-<br />

feststellen, dass Sie sich trotz einiger Ausbesserungen quete-Kommission! Dann sagen Sie mir, was<br />

weiterhin an dem sächsischen Konzept orientieren. Das im Antrag falsch ist!)<br />

ist unübersehbar. Ich frage daher: Warum sollten wir uns<br />

auf Bundesebene ausgerechnet an dem Land orientieren,<br />

das das schwammigste und problematischste Gesetz in<br />

der Gedenkstättenfrage zu bieten hat?<br />

Ich empfehle Ihnen deshalb ganz dringend: Nehmen Sie<br />

die breite Kritik an und ziehen Sie das von Ihnen vorgelegte<br />

Konzept zurück! Das wäre anständig.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />

DIE GRÜNEN)<br />

(B)<br />

Die ausdrückliche Unterscheidung zwischen NS-Terrorregime<br />

und SED-Diktatur, wie sie die Enquete-<br />

Kommission des <strong>Bundestag</strong>es gefordert hat, wird dort<br />

nicht mehr vorgenommen. Zusammenhänge zwischen<br />

den beiden Diktaturen werden nicht da hergestellt, wo<br />

sie historisch richtig sind, sondern nur da, wo sie für ein<br />

Wenn Sie nicht ein so dickes Fell hätten, hätten Sie eigentlich<br />

schon längst gemerkt, dass Sie sich mit Ihrem<br />

rückwärts gewandten Antrag in einer Sackgasse befinden.<br />

Sie nehmen wichtige Verbände der Opfer, aber auch<br />

die Gedenkstätten nicht mit.<br />

(D)<br />

bestimmtes Geschichtsbild opportun erscheinen. Das Risiko,<br />

Opferverbände dabei zu düpieren, nehmen Sie sehr<br />

wohl in Kauf.<br />

Die Reaktionen im In- und Ausland sind verheerend.<br />

Von allen Seiten wird der mit Ihrem Antrag verbundene<br />

erinnerungspolitische Paradigmenwechsel abgelehnt. Im<br />

Verhältnis zu Israel ist die Wirkung besonders fatal. Der<br />

Leiter der Diaspora-Abteilung des israelischen Außen-<br />

(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Die Historiker<br />

und die Wissenschaft!)<br />

Das aber können und wollen wir uns nicht leisten. Wir<br />

wollen das national nicht, und wir wollen es international<br />

nicht.<br />

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />

DIE GRÜNEN)<br />

ministeriums, Nimrod Barkan, hat bereits deutlich gemacht,<br />

dass „eine Verabschiedung dieses Gesetzes einer<br />

radikalen Veränderung der Beziehungen gleichkommen“<br />

Lassen Sie mich einen Vorschlag machen. Vielleicht<br />

hören Sie mir auch einmal zu.<br />

würde, „die sich bis heute zwischen dem jüdischen Volk (Günter Nooke [CDU/CSU]: Wenn Sie etwas<br />

und Deutschland entwickelt haben“. Ähnlich heftige sagen, was den Text betrifft, tue ich es so-<br />

Botschaften erreichen uns von den Vereinigten Staaten. fort! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: So-<br />

Nahezu alle Gedenkstätten haben sich dazu geäußert. bald Sie zum Antrag reden, hören wir zu!)<br />

Avner Shalev von Yad Vashem bezeichnet den Antrag in<br />

einem Brief an Frau Merkel als „Affront gegen die historische<br />

Wahrheit“. Für mich ist unbegreiflich, dass Sie<br />

das nicht zum Nachdenken zwingt.<br />

Ich möchte gern den Vorschlag von Herrn Otto aufgreifen.<br />

Denn es ist ganz offensichtlich, dass es, besonders<br />

was die Gedenkstätten zur Erinnerung an die SED-Diktatur<br />

betrifft, noch offene Fragen gibt. Wir sollten den<br />

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Stand der Gedenkstättenarbeit jetzt – wir haben das<br />

DIE GRÜNEN)<br />

Konzept vor genau fünf Jahren verabschiedet – einmal<br />

Ist Ihnen, meine Damen und Herren von der Union,<br />

überprüfen.<br />

eigentlich auch nur im Ansatz klar, wie viel gewachsene (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sehr<br />

Glaubwürdigkeit in die demokratische Erinnerungskul- vernünftig! – Günter Nooke [CDU/CSU]: Das<br />

tur in unserem Land Sie damit kaputtmachen?<br />

habe ich übrigens genannt!)

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