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Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10471<br />

(A) gungsminister vom Kurs des Beibehalts der Wehrpflicht schuss pro Zivildienstleistenden von 70 auf 50 Prozent (C)<br />

abzubringen.<br />

zusammengestrichen. Dies hat den zivilen Ersatzdienst<br />

Die Lage ist aber wesentlich angespannter, als die<br />

Freude von Rot-Grün am Im-Kreis-Diskutieren vermuten<br />

lässt: Schon 2003 stellte die Regierung fest, dass die<br />

– eine tragende Säule unserer sozialen Dienste – erheblich<br />

geschwächt. Unter dem Druck der Wohlfahrtsverbände<br />

haben Sie diese Kürzung auf ein Jahr begrenzt.<br />

Zahl der Zivildienstleistenden bereits jetzt nicht aus- Damals habe ich mich gefragt, was Rot-Grün wohl<br />

reicht, um die notwendigen Leistungen im Sozial- und noch einfallen wird, um den Zivildienst weiter auszu-<br />

Pflegebereich zu erbringen. Eine Vielzahl von Stellen höhlen und ihn langsam aber sicher abzuschaffen. Nun<br />

bleibt schon bei der derzeitigen Gesetzeslage unbesetzt. weiß ich es. Diesmal geht es nicht ans Geld, sondern an<br />

Wie soll das erst aussehen, wenn sich noch weniger die Dauer des zivilen Ersatzdienstes und an die Befrei-<br />

junge Männer und dazu noch kürzer hier engagieren? ungstatbestände. Das höhlt den Zivildienst mindestens<br />

Zudem rekrutieren die Träger und Wohlfahrtsverbände ebenso nachhaltig aus wie die Kürzung des Bundeszu-<br />

in hoher Zahl aus dem Zivildienst heraus die später schusses.<br />

wichtigen ehrenamtlich Tätigen. Angesichts dieser<br />

Funktion des Zivildienstes kann man also nicht nur einfach<br />

innerhalb der neun oder zehn relevanten Monate<br />

denken; es geht auch um den Fortbestand des Engagements<br />

der Bürger im Ehrenamt.<br />

Mit dem vorliegenden Gesetz soll die Dauer des Zivildienstes<br />

von zehn auf neun Monate verkürzt werden.<br />

Dies macht eine sinnvolle Gestaltung des Zivildienstes<br />

nahezu unmöglich. Vor allem ältere Menschen oder<br />

Schwerstbehinderte, die individuell betreut werden müs-<br />

Ich möchte hier zu bedenken geben: Bei all den Dissen, werden darunter zu leiden haben.<br />

kussionen müssen wir uns schon im Klaren sein, dass<br />

gerade die jungen Menschen zur Mitverantwortung in<br />

unserer Gesellschaft animiert werden sollen. Das muss<br />

der kleinste gemeinsame Nenner sein. Ein Engagement<br />

für Staat und Gesellschaft ist der zentrale Punkt, um<br />

Strukturen in unserem Land zu erhalten und zu fördern.<br />

Das heißt aber auch, dass der Zivildienst eine starke und<br />

leistungsfähige Alternative bleiben muss, damit die jungen<br />

Menschen in unserem Land etwas Positives für ihre<br />

Lebensgestaltung mitnehmen.<br />

Der Zeitraum, in dem ein Zivildienstleistender wirklich<br />

seinen Dienst an der Gesellschaft leistet, wird immer<br />

kürzer. De facto bliebe bei einem 9-monatigen Zivildienst<br />

nur noch ein gutes halbes Jahr für die<br />

tatsächliche Arbeit in den Einrichtungen. Eine Woche<br />

nimmt der staatspolitische Einführungslehrgang in Anspruch,<br />

zwei Wochen sind für die fachlichen Einführungslehrgänge<br />

anzusetzen. Hinzu kommt eine mindestens<br />

zweiwöchige, bei Pflege- und Betreuungsdiensten<br />

vierwöchige Einweisung in der Einrichtung hinzu. Na-<br />

(B)<br />

Die schönen Sonntagsreden zum Ehrenamt nutzen da<br />

wenig, meine Damen und Herren von Rot-Grün. Sie<br />

müssen sich mit den Verbänden unterhalten, dann erfahren<br />

Sie auch mal etwas von der Praxis. Da gibt es blanke<br />

türlich muss auch noch der rund dreiwöchige Urlaub abgezogen<br />

werden. Von Krankheitstagen und vorzeitiger<br />

Beendigung des Zivildienstes will ich gar nicht erst sprechen.<br />

(D)<br />

Angst um die Strukturen vor Ort. Uns von der Union ist<br />

klar, dass die Bundesregierung Strukturen in unserem<br />

Land zerstören will, die sich bewährt haben. Eines nämlich<br />

sollten wir auf lange Sicht nicht aus den Augen verlieren,<br />

wenn wir über diesen Gesetzesentwurf abstimmen:<br />

Wird der Zivildienst weiter gekürzt, eingeschränkt,<br />

in kleinen Schritten geschwächt, dann sind wir bald bei<br />

der zentralen Frage angelangt, nämlich bei der Abschaffung<br />

der Wehrpflicht. Und das will Rot-Grün.<br />

Dieser kurze Zeitraum schadet allen Beteiligten: den<br />

zu Betreuenden, die sich in immer kürzeren Abständen<br />

auf neue Menschen einstellen müssen, den Zivildienstleistenden,<br />

die immer weniger anspruchsvolle und verantwortungsvolle<br />

Tätigkeiten ausüben können. Damit,<br />

meine Damen und Herren von Rot-Grün, widersprechen<br />

sie sich selber. Angesichts dieser Kürzung kann man von<br />

einem „sozialen Lerndienst“, den sie immer wieder fordern,<br />

gar nicht mehr sprechen. Schließlich wird der fi-<br />

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, wenn wir nanzielle und organisatorische Aufwand für die Zivil-<br />

dann in der Bredouille sind, für unser Sozialsystem eidienststräger immer größer.<br />

nen Ersatz des Zivildienstes zu finden und diesen zu finanzieren,<br />

bin ich auf Ihre Vorschläge und Konzepte<br />

sehr gespannt. Legen Sie also die Karten auf den Tisch<br />

und führen Sie keine Schattendebatten, die in der Konsequenz<br />

nur auf das eine hinauslaufen: die Abschaffung<br />

der Wehrpflicht!<br />

Ich glaube, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die<br />

Spitzen der Wohlfahrtsverbände angesichts dieser erneuten<br />

Kürzung, die bestimmt nicht die letzte ist, ihren Ausstieg<br />

aus dem Zivildienst verkünden. Aber vielleicht<br />

hofft die Bundesregierung ja gerade darauf. Vielleicht ist<br />

es die Taktik von Rot-Grün, den Zivildienst solange auszuhöhlen,<br />

bis die Zivildienstträger abspringen und die<br />

Willi Zylajew (CDU/CSU): Der uns zur Beratung Bundesregierung bei dieser sozialen Demontage ihre<br />

vorliegende Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- Hände in Unschuld waschen kann. Danach werden sie<br />

rung des Zivildienstgesetzes müsste eigentlich einen an- dann vermutlich auch noch behaupten, sie hätten den Zideren<br />

Namen tragen. Es müsste „Gesetz zur Aushöhlung vildienst ja erhalten wollen, nur die bösen Verbände<br />

des Zivildienstes“ heißen. Denn um nichts anderes geht eben nicht.<br />

es in diesem Gesetzentwurf.<br />

Vielleicht geht es der Bundesregierung aber auch nur<br />

Im Januar 2003 haben Sie von Rot-Grün mit dem Ers- darum, die nicht vorhandene Wehrgerechtigkeit „schönten<br />

Zivildienstgesetzänderungsgesetz den Bundeszuzurechnen“. Die Wehrungerechtigkeit wird aber keinen

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