Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Jella Teuchner<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10343<br />
(A) gilt auch heute: Wenn mittags nicht alle Abgeordneten cken muss. So entsteht eine Situation, von der Bauern (C)<br />
im Plenum sind, dann sind die, die fehlen, ein Vorbild: und Konsumenten gleichermaßen profitieren. Die Men-<br />
Sie nehmen sich die Zeit fürs Essen.<br />
schen merken wieder, dass Nahrungsmittel auch Lebens-<br />
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Oder das Kochen!<br />
– Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist<br />
mittel sein können, aber auch, was Qualität, Regionalität<br />
und Jahreszeit bedeuten.<br />
eine ganz neue Begründung für das Fehlen!)<br />
(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne<br />
Ich wünsche dazu Ruhe und Muße. Ich wünsche eine ge-<br />
Kastner)<br />
segnete Mahlzeit.<br />
Wir müssen das Bewusstsein unserer Kinder schärfen,<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
sie zum Beispiel auch wieder auf die Höfe bringen,<br />
DIE GRÜNEN)<br />
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sonntag!)<br />
Präsident Wolfgang Thierse:<br />
Ich erteile dem Kollegen Friedrich Ostendorff für die<br />
damit sie erleben können, woher ihr Essen kommt.<br />
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jawohl!)<br />
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.<br />
Kindergeburtstage auf dem Bauernhof anstatt, wie heute,<br />
im Fast-Food-Restaurant sind für Kinder sicherlich auch<br />
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN):<br />
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen<br />
und Herren! 49 Prozent der Bevölkerung sind übergewichtig,<br />
13 Prozent stark übergewichtig. Übergewicht<br />
sehr spannend.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD – Albert Deß [CDU/CSU]:<br />
Dann müsst ihr verdeckte Ermittler einsetzen!)<br />
hat zwei Hauptursachen: mangelnde Bewegung, falsche<br />
Ernährung. Wir essen nicht mehr, sondern wir essen<br />
falsch.<br />
Wir müssen mit unseren Produkten aber auch in die<br />
Schulen gehen. Das Programm für 10 000 Ganztagsschulen,<br />
das wir aufgelegt haben, bietet die Chance auf<br />
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!) 5 Millionen gesunde, frische Mahlzeiten pro Tag.<br />
(B)<br />
Landwirtschaft und Ernährung sind untrennbar miteinander<br />
verbunden. Sitzen aber womöglich auch Bauern<br />
und übergewichtige Kinder in einem Boot? Sowohl<br />
Kinder als auch Bäuerinnen und Bauern bekommen<br />
schmerzhaft zu spüren, was es bedeutet, wenn eine Gesellschaft<br />
die Wertschätzung für ihre Nahrung verliert.<br />
Fehlernährung ist auch Folge von Missachtung und<br />
Unkenntnis der Herkunft und Qualität unserer Nahrungsmittel.<br />
Meine Damen und Herren, ist es wirklich ein Fortschritt,<br />
dass die Küche der unwichtigste Raum in der<br />
Wohnung geworden ist? Ich habe immer bedauert, dass<br />
die Hauswirtschaftslehre aus den meisten Lehrplänen<br />
gestrichen wurde. Dies wurde sogar als Erfolg moderner<br />
Schulpolitik gefeiert. Moderne Ernährungslehre muss<br />
wieder Schulfach werden.<br />
(Beifall der Abg. Ulrike Höfken [BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN])<br />
(D)<br />
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sehr richtig!)<br />
Für uns Bauern bedeutet diese Haltung einen oft gnaden-<br />
Das Wissen darüber, wie ein Haushalt zu organisieren ist<br />
und Lebensmittel bearbeitet werden, ist vielleicht ebenso<br />
wichtig wie das Wissen über Informatik.<br />
losen Preiskampf, weil die Bereitschaft fehlt, für gute<br />
Produkte gute Preise zu zahlen.<br />
Der Bereich Ernährung ist elementarer Bestandteil einer<br />
sinnvollen Agrarpolitik. Das hat man bei der CDU-<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:<br />
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des<br />
Kollegen Tauss?<br />
Wahlwerbung mit dem Apfel erkannt. Die einseitige<br />
Lobbypolitik vergangener CDU/CSU-Zeiten hat aber zu<br />
einer Entfremdung zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern<br />
sowie vor allem von unserer Nahrung geführt.<br />
Leider arbeitet die Opposition auch heute noch daran,<br />
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN):<br />
Nein, im Moment nicht; das können wir zum Schluss<br />
machen.<br />
diesen Prozess zu verstärken.<br />
Wir wollen Fast Food nicht abschaffen, aber unsere<br />
Ministerin Künast und wir sind mit einer Agrarwende<br />
angetreten, die die Landwirtschaft und vor allem<br />
ihre Produkte wieder in die Mitte der Gesellschaft rückt.<br />
Kinder müssen lernen, was sie wann wie oft essen dürfen.<br />
Slow Food und Good Food statt Fast Food, das ist<br />
die Zukunft. Viele unserer Mitmenschen haben das Kochen<br />
verlernt. Die Nahrungsmittelindustrie bringt mit<br />
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- viel Werbung immer neue Convenience-Food-Angebote<br />
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)<br />
auf den Markt, die oft nur sehr entfernt ahnen lassen, aus<br />
Deshalb sind wir froh darüber, Frau Klöckner, dass sich<br />
unser Staatssekretär auch über die Ernährungspolitik anderer<br />
Länder informiert.<br />
welchem Urprodukt sie entstanden sind. Schlimmer: Sie<br />
verführen unsere Kinder zum schnellen Essen nebenbei<br />
und schwören sie frühzeitig auf einen industriellen<br />
Durchschnittsgeschmack ein.<br />
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wir auch!)<br />
Gezielte Kinderwerbung, meine Damen und Herren,<br />
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, wollen wir müssen wir ächten. Warum sollen Kinder fragen, woher<br />
eine transparente Landwirtschaft, die sich nicht verste- Lebensmittel kommen, wenn man ihnen Fertiggerichte