Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Arnold Vaatz<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10409<br />
(A) gelegt werden kann oder nicht, eindeutig mit Nein geant- wäre im Jahr 1991 gut gewesen, sei heute aber verspätet, (C)<br />
wortet werden muss.<br />
dann kann ich Ihnen nur sagen: Der Herr Bundespräsi-<br />
Ich darf ein Zitat des Herrn Bundespräsidenten hinzufügen.<br />
Er hat vor einigen Tagen – nicht vor einem Jahr –<br />
gesagt:<br />
dent stellt fest, dass die Frage nicht verspätet ist. Sie ist<br />
aktuell. Heute ist es noch nötiger als damals, zu fragen,<br />
ob die Maßnahmen, die der Deutsche <strong>Bundestag</strong> im<br />
Laufe der Zeit getroffen hat, nun, 15 Jahre nach der Wie-<br />
Den Opfern des DDR-Regimes muss materielle und dervereinigung, hinreichend gewesen sind oder nicht.<br />
immaterielle Anerkennung zuteil werden. Auch ein Damals trat es offen zutage.<br />
Jahr später bleibe ich dabei, dass da manches hinter<br />
dem zurückgeblieben ist, was wir uns unter Gerech-<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
tigkeit vorstellen.<br />
Frau Stokar von Neuforn, wenn Sie meinen, dass ein<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
<strong>Bericht</strong>sgegenstand – ein Sachgegenstand oder eine<br />
Gruppe von Personen – dadurch entwürdigt wird, dass<br />
Das ist der Anlass unserer heutigen Debatte. Wir sind im <strong>Bundestag</strong> über ihn berichtet wird, dann frage ich Sie<br />
dem Herrn Bundespräsidenten dafür dankbar, dass er nach Ihrer Auffassung zu diesem Haus.<br />
sich überhaupt dazu geäußert hat. Wir hätten es gern gesehen,<br />
wenn es nicht die einzige vernehmbare Stimme<br />
aus dem rot-grünen Lager gewesen wäre, die diese<br />
Worte sagt und diese Ansicht teilt.<br />
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Sie haben das nicht verstanden!<br />
Der 17. Juni ist mehr als ein <strong>Bericht</strong>!)<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der<br />
FDP – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wir haben<br />
gehandelt, Herr Vaatz! – Gegenruf des<br />
– Niemand bestreitet, dass er mehr ist. Wir erheben keinen<br />
Absolutheitsanspruch. Das sollten wir uns gegenseitig<br />
auch nicht unterstellen.<br />
Abg. Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/<br />
CSU]: Quatsch!)<br />
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNISS 90/<br />
DIE GRÜNEN]: Dann sollten Sie nicht so ei-<br />
Es ist unserem Antrag zu verdanken, dass wir heute, nen Quatsch erzählen!)<br />
am 51. Jahrestag des 17. Juni, in diesem Haus überhaupt<br />
über dieses Thema – über die Gedenkrede des<br />
Herrn <strong>Bundestag</strong>spräsidenten hinaus – politisch debattieren.<br />
Der Staat kann nicht in Gestalt seines Bundespräsidenten<br />
Mängel bei den rechtlichen Rehabilitierungen<br />
feststellen und in Gestalt seines Parlaments die Beseitigung<br />
dieser Mängel ablehnen. Das wird von den Betrof-<br />
(B)<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)<br />
Dies allein ist schon eine Aufgabe, die wir als <strong>Bundestag</strong><br />
haben. Denn wir haben gegenüber der jungen Generation<br />
die Verpflichtung, das Erinnern an diesen Tag wach<br />
zu halten und den Menschen zu zeigen, dass ihr Einsatz<br />
uns noch heute wichtig ist. Schon allein dafür ist eine<br />
solche Debatte notwendig,<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP)<br />
fenen als Heuchelei empfunden und untergräbt die Identifikation<br />
mit unserer Demokratie.<br />
Lieber Herr Hacker, Sie betonen, wir seien für diese<br />
Defizite verantwortlich, weil wir es während unserer Regierungszeit<br />
verbockt hätten. Dazu sage ich Ihnen erstens,<br />
dass wir von diesem Pult aus schon mehrfach eingeräumt<br />
haben, dass wir keine endgültige Lösung dieser<br />
Angelegenheit gefunden haben. Zweitens. Es dürfte<br />
selbstverständlich sein, dass es der Anspruch einer nachfolgenden<br />
Regierung sein muss, die von der Vorgänger-<br />
(D)<br />
ganz abgesehen davon, dass wir, wie der Herr Bundesregierung hinterlassenen ungelösten Fragen zu klären.<br />
präsident richtig erkannt hat, auch noch eine ganze<br />
Reihe von Gerechtigkeitsdefiziten zu besprechen haben.<br />
Herr Stolpe – lassen wir einmal die Frage beiseite, ob<br />
er heute wirklich der geeignetste Vertreter der Bundesregierung<br />
bei der Opferehrung in Berlin-Wedding war; im-<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Wenn Sie tatsächlich der Meinung sind, dass es eine<br />
Fehlleistung unsererseits gewesen sei, dieses Problem<br />
nicht gänzlich zu lösen, dann frage ich Sie, weshalb Sie<br />
es nicht tun.<br />
merhin hat er den Takt besessen, nicht alle seine Orden (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das haben wir<br />
anzulegen, die er im Laufe seines Lebens errungen hat –<br />
doch 1999 gemacht!)<br />
hat die berechtigte Frage gestellt, wie wir denn in Zukunft<br />
den 17. Juni in der Erinnerung der deutschen Öffentlichkeit<br />
wach halten wollen. Diese Frage haben auch<br />
wir uns gestellt. Wir finden, wie ehrlich die Würdigung<br />
der Aufständischen des 17. Juni voriges Jahr wirklich<br />
gewesen ist, hat etwas mit den Lebensumständen zu tun,<br />
die unser Staat ihnen heute einräumt.<br />
Jetzt kommen wir zu der Frage, wie Sie es getan haben.<br />
Sehr geehrter Herr Hacker, ich erinnere mich noch<br />
sehr gut an Ihre Ausführungen, in denen Sie darauf hinwiesen,<br />
dass die Stiftungen dazu ausersehen seien, die<br />
entstandenen Härten zu beseitigen. Das war ein Lippenbekenntnis.<br />
Kurz darauf hat das Bundesinnenministerium<br />
bei der Stiftung nämlich eine Deckungslücke von<br />
Deshalb fordern wir von der Bundesregierung, jähr- knapp 4 Millionen Euro festgestellt und die Auflösung<br />
lich zum 17. Juni einen <strong>Bericht</strong> zur Aufarbeitung des dieser Stiftung bis zum Jahr 2005 angeregt. Das ist die<br />
DDR-Unrechts und zur Lage der Opfer vorzulegen. Realität Ihrer Alternativen. Das sollte man der Öffent-<br />
Herr Hacker, wenn Sie sagen, ein solcher <strong>Bericht</strong>santrag lichkeit in aller Deutlichkeit sagen.