Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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10374 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />
(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Vollzugs von Verwaltungsmaßnahmen bis zur Entschei- (C)<br />
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Wissing dung über eine Petition gefordert. Sie wollten – um nur<br />
von der FDP-Fraktion.<br />
einige Ihrer Forderungen zu nennen – erweiterte Akteneinsichts-<br />
und Aktenbeiziehungsrechte, die Schaffung<br />
Dr. Volker Wissing (FDP):<br />
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die<br />
zahlreichen Petitionen sind ein deutliches Zeichen: Die<br />
Bürgerinnen und Bürger vertrauen dem Petitionsausschuss.<br />
Sie verdeutlichen, wie wichtig dieser Ausschuss<br />
eines Selbstaufgriffsrechts, das Recht der Ausschussminderheit,<br />
von den Informationsrechten Gebrauch zu<br />
machen, und die Darlegung der Auffassung von Ausschussmehrheit<br />
und -minderheit in der Beschlussbegründung.<br />
ist. Er ist für viele die letzte Anlaufstelle, eine echte Alternative<br />
zur Resignation. Es wäre für das Ansehen der<br />
Politik fatal, dieses Vertrauen zu enttäuschen.<br />
(Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Papier ist geduldig!<br />
Das kennen wir von Rot-Grün!)<br />
Wir dürfen mit dem Erreichten deshalb nicht zufrieden<br />
sein, sondern wir müssen uns bemühen, das Gute<br />
weiterzuentwickeln. Wir müssen uns ständig fragen, was<br />
wir tun können, damit der Petitionsausschuss die Interessen<br />
der Bürgerinnen und Bürger noch besser und noch<br />
effizienter vertreten kann. Das Petitionsrecht muss auf<br />
den Prüfstand. Dort, wo es nötig ist, müssen wir es refor-<br />
Man hätte fast annehmen können, Sie seien auf dem<br />
Weg zu einer Partei der Bürgerrechte. Aber was ist von<br />
Ihren Ankündigungen geblieben? Nicht eine einzige Ihrer<br />
Forderungen wurde umgesetzt. Die weiter steigende<br />
Zahl an Petitionen zeigt, wie wichtig dieser Ausschuss<br />
ist. Ich bin sicher, diese Zahl wäre noch höher, wenn wir<br />
das Petitionsrecht weiter ausbauten.<br />
mieren. Qualitätskontrolle ist einer der wichtigsten<br />
Schritte zur Qualitätssicherung.<br />
Stattdessen beobachten wir eine Entwicklung in eine<br />
ganz andere Richtung. Die Regierung neigt immer mehr<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
dazu, ohne Not selbst Bürgerbeauftragte einzurichten.<br />
Wozu brauchen wir denn eigentlich eine Patientenbeauf-<br />
Unser Petitionsrecht ist seit 1975 unverändert. Die tragte, wenn wir einen Petitionsausschuss haben? Was<br />
Gesellschaft hat sich inzwischen – in vielen Bereichen kann Frau Kühn-Mengel, was der Petitionsausschuss<br />
sogar dramatisch – verändert. Wir müssen uns deshalb nicht kann?<br />
fragen: Wie können wir das Petitionsrecht so gestalten,<br />
dass es den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen<br />
gerecht wird? Die Voraussetzungen für eine solche Re-<br />
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
(B)<br />
form sind gut; denn auch die Regierungsparteien, SPD<br />
und Grüne, sehen die Notwendigkeit zur Umgestaltung<br />
des Petitionsrechts. So steht zum Beispiel im Koalitionsvertrag:<br />
Durch solche Bürgerbeauftragte werden Bürgeranliegen<br />
letztlich am Parlament vorbei behandelt, vom Parlament<br />
fern gehalten und direkt auf Regierungsebene erledigt.<br />
Dadurch wird das Näheverhältnis zwischen Parlament<br />
(D)<br />
Wir wollen das Petitionsrecht, über die Lösung in- und Petenten gestört. Für die Bürgerinnen und Bürger<br />
dividueller Anliegen hinaus, zu einem politischen entsteht der nicht gerade positive Eindruck, dass sich die<br />
Mitwirkungsrecht der Bürgerinnen und Bürger aus- Abgeordneten nicht mehr unmittelbar um ihre Anliegen<br />
gestalten.<br />
kümmern. Es geht ein hohes Maß an Transparenz und<br />
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Gut zitiert!)<br />
parlamentarischer Kontrolle verloren. Am Ende steht<br />
eine Schwächung dieses Parlaments.<br />
Sie haben sich viel vorgenommen, Herr Winkler.<br />
Aber sind Sie diesem Anspruch denn gerecht geworden?<br />
Was ist denn inzwischen passiert? Haben Sie das Petitionsrecht<br />
zu einem politischen Mitwirkungsrecht der<br />
Bürgerinnen und Bürger weiterentwickelt?<br />
Ich sage es Ihnen ganz offen: Die FDP hat große Bedenken<br />
gegen die inflationäre Einführung von Regierungsbeauftragten<br />
auf den verschiedensten Politikfeldern.<br />
Der Petitionsausschuss ist das zentrale Gremium<br />
für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Dabei,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte es auch bleiben.<br />
(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]:<br />
Aber, Herr Wissing! – Gudrun Schaich-Walch<br />
[SPD]: Sie hätten die Reden mal umschreiben<br />
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
können!)<br />
Wir sollten gemeinsam darauf hinwirken, dass die Anlie-<br />
Wo sind die angekündigten Reformen? Ihrem wohlforgen der Bürgerinnen und Bürger nicht auf eine Vielzahl<br />
mulierten Anspruch stehen bisher leider keine Taten ge- von Stellen verteilt werden, sondern zusammengeführt<br />
genüber. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen: werden, und zwar hier beim Parlament. Nur so können<br />
Was für einen Stellenwert hat das Petitionsrecht für Sie? wir den Anliegen wirklich die erforderliche politische<br />
Die Grünen haben vor der <strong>Bundestag</strong>swahl – Herr<br />
Wirkung verleihen.<br />
Winkler, jetzt können Sie meinen Zitaten weiter folgen – Die FDP will einen starken und selbstbewussten Peti-<br />
einen umfangreichen Forderungskatalog an die Vereinitionsausschuss, einen Petitionsausschuss, der mit den<br />
gung zur Förderung des Petitionsrechts in der Demokra- notwendigen Rechten ausgestattet ist, um den Bürgerintie<br />
geschickt. Damals haben Sie – ich weiß nicht, ob Sie nen und Bürgern über den Wahltag hinaus politische<br />
das schon vergessen haben – die Aussetzung des Mitwirkungsmöglichkeiten zu sichern.