Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10417<br />
(A) Mobiltelefonanschlüssen enorm angestiegen, von 1997 würde die bei einem Kriterienkatalog immer erforderli- (C)<br />
bis 2002 von 8 auf 60 Millionen.<br />
che Abwägung der Grundrechtsrelevanz von Überwa-<br />
Auf diese neue Situation muss der Rechtsstaat reagieren.<br />
Die Strafverfolgung muss mit den neuen Techniken,<br />
die natürlich auch von Straftätern genutzt werden,<br />
Schritt halten, ohne dass der Staat dabei mit neuen technischen<br />
Mitteln die Grundrechte seiner Bürgerinnen und<br />
Bürger aushöhlt. Dem Satz, der nicht nur an Stammtischen<br />
zu hören ist, „Wer nichts zu verbergen hat,<br />
chungsmaßnahmen besser Rechnung tragen als ein nach<br />
und nach ausfransender und im Grunde willkürlicher<br />
Anlasstatenkatalog. Mir greift, verehrter Herr Kollege<br />
Funke, Ihr Antrag in diesem Punkt zu kurz, weil auch<br />
Sie wieder lediglich am Katalog herumdoktern wollen<br />
und nicht die Fantasie aufbringen, die nun einmal notwendig<br />
ist, um hier grundsätzlich Neues zu schaffen.<br />
braucht auch nichts zu fürchten“, und der damit oft verbundenen<br />
Vorstellung, Verbrechensbekämpfung habe<br />
Vorrang vor Individualschutz, ist entschieden entgegenzutreten.<br />
Wir wollen auch den Rechtsschutz im Verfahren noch<br />
besser absichern. Wir wissen aus dem <strong>Bericht</strong> des<br />
Max-Planck-Instituts, dass Richter Maßnahmen oft nur<br />
formelhaft begründen. Dem Mangel an Transparenz und<br />
Es sind vielfältige neue Anwendungsmöglichkeiten<br />
zu prüfen, wie zum Beispiel die Standortpeilung von<br />
entwendeten Mobiltelefonen oder die Erstellung von Bewegungsbildern<br />
durch so genannte stille SMS. Damit<br />
sind schwierige rechtliche und rechtspolitische Fragen<br />
verbunden.<br />
rechtlichem Gehör wollen wir durch eine qualifizierte<br />
Begründungspflicht begegnen. Die Untersuchung hat<br />
uns auch vor Augen geführt, dass die Benachrichtigungspflicht<br />
leider immer noch zu selten richtig wahrgenommen<br />
wird. Wir können hier nur, wie es im Gesetz<br />
steht, an die Vertreter der Praxis appellieren und sie ermahnen,<br />
diese Aufgabe künftig ernst zu nehmen und den<br />
Wir wollen deshalb Regelungen schaffen, die für die Menschen, die abgehört worden sind, mitzuteilen, dass<br />
Rechtsanwendung unter besonderer Beachtung des ver- sie abgehört worden sind. Ich kann mir nichts Schlimfassungsrechtlich<br />
geschützten Telekommunikationsgemeres vorstellen, als dass man als Betroffener von dritter<br />
heimnisses praktikabel und vor allem für die betroffenen Seite erfährt, dass man abgehört worden ist, und dass<br />
Bürger transparent sind.<br />
man sich dagegen dann gar nicht wehren kann.<br />
(Rainer Funke [FDP]: Das fällt doch nicht<br />
Wir haben schon sehr weit gehende Beratungen ge-<br />
vom Himmel!)<br />
Derzeit überarbeiten wir nach der Entscheidung des<br />
führt.<br />
Bundesverfassungsgerichts vom 3. März die Regelungen Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:<br />
(B)<br />
zur akustischen Wohnraumüberwachung. Das Bundesministerium<br />
der Justiz wird hierzu voraussichtlich in<br />
Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen.<br />
Herr Staatssekretär, achten Sie ein bisschen auf die<br />
Zeit!<br />
(D)<br />
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE<br />
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun-<br />
GRÜNEN]: In Kürze?)<br />
desministerin der Justiz:<br />
– „In Kürze“ heißt, ich glaube, schon in der übernächs- Ich habe noch ungefähr einen halben Satz zu sagen.<br />
ten Woche.<br />
Wir werden diese Beratungen zu einem guten Ab-<br />
Außerdem steht die Reform der Telekommunikationsschluss bringen.<br />
überwachung auf der Agenda. Herr Funke, ich wundere<br />
mich immer wieder über Ihre Sprüche. Einmal sagen<br />
Sie, wir peitschten Gesetze durch. Wenn wir es, wie<br />
jetzt, sehr sorgfältig beraten, sind wir Ihnen dann wieder<br />
zu langsam. Ich kann Ihnen nur sagen: Der Rechtsstaat<br />
ist manchmal eine Schnecke; aber in diesem Fall ist es<br />
gut, dass die rechtsstaatlichen Überprüfungen in der<br />
Ich hoffe, ich habe Sie ein bisschen neugierig gemacht.<br />
Mir standen leider nur fünf Minuten zu, wie Ihnen,<br />
Herr Funke, obwohl ich inhaltlich mindestens viermal<br />
so viel wie Sie hätte sagen können. Hoffentlich<br />
kommen wir zu einer guten inhaltlichen Diskussion. Ich<br />
freue mich, dass Sie wieder mit im Boot sind.<br />
Weise vor sich gehen.<br />
Danke schön.<br />
Ich möchte Ihnen in der mir noch verbleibenden Zeit<br />
einige unserer Überlegungen skizzieren. Die starre und<br />
unübersichtliche Auflistung von Anlasstaten, wie sie<br />
bisher im § 100 a StPO steht, gehört auf den Prüfstand.<br />
Wir können uns vorstellen, diese Auflistung durch einen<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/<br />
CSU]: Das sind ja rhetorische Feuerwerke, die<br />
hier abgebrannt werden!)<br />
Katalog materieller Wertkriterien zu ersetzen. Solche<br />
Kriterien könnten zum Beispiel sein: die Schwere der<br />
Straftat und die besondere Erforderlichkeit und Geeig-<br />
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:<br />
Ich schließe damit die Aussprache.<br />
netheit der Telekommunikationsüberwachung zur Aufklärung<br />
einer Straftat.<br />
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf<br />
Drucksache 15/1583 an die in der Tagesordnung aufge-<br />
Damit könnten wir, erstens, den leidigen Diskussioführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einnen<br />
über Ausweitung und, was sehr selten ist, Einschränverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung<br />
kung des Straftatenkatalogs entgegentreten. Zweitens so beschlossen.