Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Marlene Rupprecht (Tuchenbach)<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10377<br />
(A) handwerkliche Fehler gemacht worden sind – das betrifft das Ersuchen. Bei dem Wort „Angriff“ habe ich etwas (C)<br />
alle Regierungen –, wo Schwachstellen sind, was man gestutzt und einen Augenblick nachgedacht: Wer greift<br />
im Vorfeld besser machen kann und wie man im Nach- hier eigentlich wen an? Der Petent den Staat oder umgehinein<br />
korrigieren kann.<br />
kehrt? Der Petent den Gesetzgeber oder umgekehrt? Der<br />
Diese Arbeit ist es, die den Petitionsausschuss auszeichnet.<br />
Ich vergleiche ihn mit der Beschwerdeabteilung<br />
in einem guten Unternehmen wie zum Beispiel<br />
Petent den Ausschuss, seine Mitarbeiter, die Politik?<br />
Wird überhaupt angegriffen? Fühle ich mich angegriffen?<br />
Nein, selbstverständlich nicht.<br />
BMW oder Mercedes. Wenn dort eine Beschwerde<br />
kommt, dass jemand Schwierigkeiten mit seinem Neuwagen<br />
hat, dann kann das ein Einzelfall sein. Wenn aber<br />
mehrere Beschwerden kommen, kann man feststellen,<br />
dass vielleicht doch etwas an der Hinterachse geändert,<br />
der Einstieg vergrößert oder was auch immer korrigiert<br />
werden muss. Ein gutes Management in einer Firma beachtet<br />
die Wünsche der Kunden. Der Petitionsausschuss<br />
sorgt dafür, dass unsere Bürgerinnen und Bürger wie<br />
Kunden behandelt werden. Diese Bürgerinnen und Bürger<br />
haben uns ja gewählt.<br />
Vor allen Dingen Politiker und Politikerinnen sollten<br />
nicht lügen. Deshalb will auch ich hier der Wahrheit die<br />
Ehre geben. Manchmal sind Petitionen, die in den <strong>Bericht</strong>erstatterkreislauf<br />
hineinkommen, in Wortwahl und<br />
Ausdruck derart aggressiv, böse und polemisch, dass sie<br />
sehr wohl als Angriff gewertet werden könnten. Auch<br />
Drohanrufe und Drohschreiben haben der eine oder andere<br />
von uns schon erhalten. Aber sind nicht Aggressivität<br />
und Boshaftigkeit auch ein Ausdruck von Ohnmacht,<br />
Hilf- und Ausweglosigkeit und Frustration über den<br />
Staat, die Gesetze und deren Durchführung?<br />
(B)<br />
In diesem Sinne glaube ich, dass der Petitionsausschuss<br />
zwar eine Reform braucht, aber in seiner Grundtendenz<br />
nicht angetastet werden darf. Ich denke, dass wir<br />
uns mit ganz viel Stolz präsentieren können. Wir arbeiten<br />
in einem Ausschuss, der öffentlich wenig beachtet<br />
wird. Er bekommt nur einmal im Jahr Redezeit im Parlament,<br />
in diesem Jahr heute. Ansonsten sind wir jeden<br />
Mittwoch die Ersten, die im Ausschuss sitzen, von halb<br />
acht bis neun Uhr, und die Anliegen der Menschen behandeln,<br />
meistens über die Grenzen der Fraktionen hinweg.<br />
Ich finde das gut. Es hat sich jetzt auch etwas Ruhe<br />
über unsere Arbeit gelegt. Nach den anfänglichen Verirrungen<br />
in politische Hinterzimmer und Diskussionszirkel<br />
sind wir jetzt größtenteils zur Sacharbeit zurückgekehrt.<br />
Ein paar brauchen noch ein bisschen Zeit, die wir<br />
Selbstverständlich bearbeite ich Petitionen, die in<br />
sachlicher und emotionsloser Form vorgebracht werden,<br />
lieber und auch viel einfacher. Hierbei komme ich dann<br />
zu der anderen Bedeutung dieses lateinischen Wortes.<br />
„Petitio“ heißt Ersuchen und bezeichnet die Bitte, eine<br />
„schriftlich formulierte Eingabe, Beschwerde oder ein<br />
Gesuch an eine staatliche Stelle … bzw. an eine Volksvertretung“,<br />
die in der Regel hierfür einen Ausschuss<br />
eingerichtet hat; so das „Politiklexikon“. Da dies so ist,<br />
werden von uns alle Petitionen bearbeitet, egal in welcher<br />
Form, Ausdrucksweise oder Wortwahl sie eingereicht<br />
werden. Das ist gut so. Denn die Zulässigkeit von<br />
Petitionen ist ein Bestandteil demokratischer Grundrechte.<br />
(D)<br />
ihnen auch geben, damit sie mit uns zusammenfinden Oft genug gibt es positive Ergebnisse zu vermelden.<br />
und wir gemeinsam eine an der Sache orientierte Lösung So kann eine 85-jährige Frau mit ihrem nunmehr von der<br />
finden.<br />
Krankenkasse bewilligten Rollstuhl wieder am gesell-<br />
Ich wünsche uns weiterhin eine gute Zusammenarbeit<br />
und die Einbindung aller. Dann schaffen wir es auch, im<br />
Sinne der Bürger zu handeln.<br />
schaftlichen Leben inner- und außerhalb des Altersheimes<br />
teilnehmen. Einige andere Beispiele aus dem<br />
Gesundheitsbereich haben Sie schon gehört, auch das<br />
Beispiel jener Schülerin, deren Vater wir, lieber Josef<br />
Danke schön.<br />
Winkler, darüber informiert haben, dass jetzt alles den<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
richtigen Weg geht.<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des<br />
Abg. Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP])<br />
Aber manchmal kann man als <strong>Bericht</strong>erstatter auch in<br />
Gewissenskonflikte kommen. Damit meine ich jetzt<br />
nicht Konflikte, bei denen es darum geht, ob ein Petent<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
als Fußballer in die Nationalmannschaft aufgenommen<br />
Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Pfeiffer von<br />
der CDU/CSU-Fraktion.<br />
werden soll oder nicht, wobei ich nicht weiß, ob das an<br />
dem Ergebnis von vorgestern etwas geändert hätte.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)<br />
Ich spreche von ernsthaften, tiefer gehenden Gewissenskonflikten,<br />
denen sich jeder von Ihnen schon einmal ausgesetzt<br />
gefühlt hat.<br />
Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch Sie kennen das<br />
sicherlich: Sie sind Mitglied im Petitionsausschuss, haben<br />
Hunderte von Petitionen gelesen und bearbeitet und<br />
plötzlich stellen Sie sich die Frage: Petition, was heißt<br />
das eigentlich? Woher kommt dieses Wort? Was steckt<br />
dahinter? Welche Bedeutung hat es? Ich habe einmal<br />
nachgeschaut: „Petition“ kommt aus dem Lateinischen,<br />
stammt von dem Wort „petitio“ und heißt: der Angriff,<br />
Aus meiner aktuellen <strong>Bericht</strong>erstattung kann ich von<br />
einem Petenten berichten, der sich darüber beklagt, dass<br />
seine Krankenkasse die Kosten für eine Organtransplantation,<br />
die im Ausland auf eigene Veranlassung<br />
durchgeführt wurde, nicht übernimmt. Zweifellos ist hier<br />
Geld gespart worden. Dem Petenten konnte im Ausland<br />
– im Übrigen schnell – geholfen werden. Auch unter