Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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10476 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />
(A) Kompetenzen durch immer weitere Kooperationsverein- Sie von den Grünen und der SPD planen nach dem (C)<br />
barungen zu koordinieren. Mittlerweile gibt es 25 Ver- Motto „Wir stecken alle Verantwortungsträger in einen<br />
träge! Das Ergebnis ist ein Nebeneinander von Einheiten großen Raum und hoffen auf gute Zusammenarbeit“!<br />
und Zuständigkeiten, das mittlerweile selbst von Exper- Dieses Vorgehen – ohne gleichzeitig klare Organisaten<br />
kaum noch überblickt werden kann.<br />
tionsstrukturen zu schaffen – kann klappen, wenn sich<br />
Genau diese ineffizienten Strukturen planen die Kollegen<br />
von der SPD und den Grünen jetzt fortzuschrei-<br />
alle Beteiligten gut verstehen und gut zusammen arbeiten;<br />
es muss jedoch nicht klappen.<br />
ben. Ihr Antrag sieht keinerlei wesentliche strukturellen<br />
Änderungen vor. Im Gegenteil, sie planen ein weiteres<br />
Kapitel der unendlichen Koordinierungsgeschichte, sie<br />
planen die Fortsetzung des institutionellen Chaos.<br />
Lassen Sie uns bei der Sicherheit auf deutschen Meeren<br />
kein unnötiges Risiko eingehen! Beenden wir gemeinsam<br />
die gescheiterten Koordinationsversuche! Organisieren<br />
wir die Strukturen zur Gefahrenabwehr auf<br />
In welchen Bereichen leidet die Sicherheit auf unseren<br />
Meeren unter der fehlerhaften Organisationsstruktur?<br />
Betrachten wir zunächst die Abwehr von Gefahren<br />
durch Terror und organisierte Kriminalität. Hier ist oftmals<br />
Zeit ein besonders kritischer Faktor; es zählen mitunter<br />
Stunden oder sogar Minuten. Für diese Aufgabe<br />
verfügen BGS und die WSP über bestens ausgebildetes<br />
Personal. Dazu existieren gut ausgestattete Boote. Auch<br />
auf die Marine können wir im Bereich der Terrorismus-<br />
See nicht weiter entsprechend Ministerien und föderalen<br />
Strukturen, sondern nach der Aufgabe, der Gefahrenabwehr!<br />
Wir benötigen eine einheitliche nationale Küstenwache,<br />
die alle bestehenden Aufgaben, auch präventive,<br />
wahrnimmt. Nur so kann das notwendige Zusammenspiel<br />
aller Einsatzkräfte perfekt funktionieren, werden<br />
klare Weisungsstränge für alle zur Selbstverständlichkeit<br />
und wird ein höchstmögliches Maß an Professionalität<br />
und Schlagkraft sichergestellt.<br />
abwehr nicht verzichten. Doch für einen effizienten und<br />
schnellen Einsatz von Mann und Material benötigen wir<br />
klare Befehlsstrukturen mit eindeutigen Handlungsbefugnissen.<br />
Genau diese sind jedoch nicht vorhanden.<br />
Zeit raubende Koordinierung unterschiedlicher Behör-<br />
An die Kollegen, speziell der SPD-Fraktion, die Bitte:<br />
Wagen wir gemeinsam einen wirklichen Schritt nach<br />
vorn! Legen Sie Ihren Antrag zu den Akten und stimmen<br />
Sie unserem Antrag zu!<br />
den kann hier über Erfolg und Misserfolg entscheiden.<br />
(B)<br />
Wie ist es um die Abwehr von Gefahren durch Havarien<br />
bestellt? Hier sind wir besser aufgestellt. 2003 ist<br />
mit dem Havariekommando eine Organisationsstruktur<br />
bei komplexen Schadenslagen geschaffen worden, die<br />
gegenüber der vorherigen Situation eine eindeutige Verbesserung<br />
darstellt. Es muss jedoch auch klar gesagt<br />
werden: Die gute Arbeit verdanken wir dem motivierten<br />
und engagierten Leiter des Havariekommandos sowie<br />
dem gesamten Personal. Die gute Arbeit wird hier nicht<br />
aufgrund, sondern trotz der bestehenden Organisationsstruktur<br />
erbracht: Klare Befehlsstrukturen existieren<br />
auch hier nicht; auch im so genannten komplexen Schadensfall<br />
fehlen dem Leiter des Havariekommandos die<br />
notwendigen Kompetenzen.<br />
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN): Letzten Montag haben meine Kollegin Silke<br />
Stokar und ich ein Fachgespräch zu Küstenschutz und<br />
Küstenwache veranstaltet. Die an diesem Fachgespräch<br />
Beteiligten wie zum Beispiel das Bundesinnenministerium,<br />
die Innenministerien Schleswig-Holsteins und<br />
Niedersachsens und die Schutzgemeinschaft Deutsche<br />
Nordseeküste waren einer Meinung: Wir brauchen eine<br />
effektivere und effizientere Aufgabenerledigung beim<br />
Küstenschutz! Einig waren wir uns auch darin, dass das<br />
zum 1. Januar 2003 eingerichtete gemeinsame Havariekommando<br />
als zentrale Führungseinheit bei komplexen<br />
Schadenslagen einen wichtigen Schritt zur Bewältigung<br />
von Havarien darstellt. Aber dieser Schritt reicht nicht<br />
aus. Denn nach wie vor besteht – auf der Ebene der fünf<br />
(D)<br />
So sehen keine Strukturen aus, die innerhalb der Europäischen<br />
Union vorbildlich sein sollen. Sie halten einem<br />
Vergleich mit den Küstenwachen Englands, Schwedens<br />
oder der Niederlande nicht stand. Vielmehr wird<br />
am Beispiel des deutschen Havariekommandos deutlich,<br />
wie aufgrund der föderalen Aufgabenerfüllung notwendige<br />
Reformen nicht am Erforderlichen, sondern am aktuell<br />
Möglichen ausgerichtet werden.<br />
Wie sieht es neben den geschilderten Extremsituationen<br />
mit dem Alltagsbetrieb aus? Schon aus Kostengesichtspunkten<br />
ist es erforderlich, alle Patrouillefahrten<br />
aufeinander abzustimmen, nicht nur zwischen den Boo-<br />
Küstenländer sowie auf der Ebene des Bundes – ein Nebeneinander<br />
von vielfältigen Kompetenzen bei der Seesicherheit,<br />
der Überwachung, dem Zoll, dem BGS, der<br />
Fischereiaufsicht sowie dem Seenot- und Rettungsdienst.<br />
Wir haben also auch weiterhin eine Behördenvielfalt<br />
bei weitgehend deckungsgleicher Aufgabenstellung.<br />
Diese Behörden müssen im Alltagsbetrieb und<br />
besonders in einer Sonderlage schneller, effektiver und<br />
kostengünstiger zusammenarbeiten. Hierzu braucht das<br />
Havariekommando zunächst einen Unterbau, um im Alltagsgeschäft<br />
die Überwachung auf See organisieren zu<br />
können.<br />
ten, die für den Bund unterwegs sind, sondern auch zwi- Zudem müssen wir alle Kräfte dauerhaft in einer einschen<br />
den Booten des Bundes und denen der Wasserheitlichen Struktur bündeln. Eine räumliche Zusammenschutzpolizeien<br />
der Länder. Hierauf hat bereits der legung des Havariekommandos und des Küstenwach-<br />
Rechnungshofbericht hingewiesen. Es muss möglich zentrums oder eine Leitstelle der Wasserschutzpolizei<br />
sein, dass unterschiedliche Experten auf einem Schiff mit Einbindung der „Vollzugsbehörden des Bundes“<br />
fahren. Wenn ein Schiff auf hoher See kontrolliert wird, reichten nicht aus. Deswegen fordern wir mit unserem<br />
können sowohl Grenzdelikte als auch Zolldelikte oder Antrag die Bundesregierung dazu auf, den 1994 einge-<br />
Umweltdelikte auftreten.<br />
richteten Koordinierungsverbund Deutsche Küstenwa-