Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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10340 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />
Marlene Mortler<br />
(A) und Redezeit im Plenum über Ernährung und Bewe- Ich als Bäuerin, Landfrau, Erzeugerin und Hauswirt- (C)<br />
gung. Ich habe durchaus Verständnis für die Menschen schafterin habe meine persönliche Regel und Lebenser-<br />
in unserem Land, die sich fragen: Habt ihr in Berlin fahrung. Die beste Medizin ist für mich, Produkte der<br />
keine anderen Sorgen?<br />
Saison und solche aus der Region zu genießen, und zwar<br />
Die sozialen Sicherungssysteme kollabieren.<br />
bedarfsgerecht und – das ist das Sahnehäubchen obendrauf<br />
– abwechslungsreich.<br />
(Manfred Helmut Zöllmer [SPD]: Das ist doch<br />
Blödsinn!)<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE<br />
Die Schuldenberge wachsen und lassen unseren Nach-<br />
GRÜNEN)<br />
wuchs schon in jungen Jahren alt aussehen.<br />
Ich gebe zu, dass das zwar verdammt einfach klingt, aber<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)<br />
– vor allem in Berlin – oft sehr schwer umzusetzen ist.<br />
Ministerin Künast kämpft gegen Kalorien und Kilogramm.<br />
Gleichzeitig kämpfen Millionen Menschen auf<br />
(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Frau Künast<br />
kämpft dafür!)<br />
der Welt um das nackte Überleben. Das ist verrückt. Es Ich erkenne Ihre Bemühungen durchaus an, die Men-<br />
muss uns auch zu denken geben, dass unter diesen Hunschen in Deutschland wieder zu einem verantwortungsgernden<br />
Millionen Bauern sind. Es sind Bauern, die Levollen Ernährungs- und Einkaufsverhalten sowie zu ausbensmittel<br />
– also Mittel zum Leben – erzeugen. Das ist reichender Bewegung zu motivieren. Darin sind wir uns<br />
die eine Seite.<br />
einig.<br />
Wir beschäftigen uns heute mit der anderen Seite, Meine Anerkennung gilt aber auch allen Bäuerinnen<br />
nämlich damit, dass ernährungsbedingte Krankheiten, und Bauern in Deutschland. Sie erzeugen entweder auf<br />
die schon im Kindesalter auftreten, massiv auf dem Vor- konventionelle oder auf ökologische Weise hochwertige<br />
marsch sind. Ein neuer Umgang mit Essen und Trinken, Nahrungsmittel. Auf den Teller darf nur, was unserer<br />
mit Lebensmitteln und dem eigenen Körper ist in der Tat strengen deutschen Gesetzgebung entspricht. Frau Mi-<br />
eine wichtige Zukunftsaufgabe.<br />
nisterin, es spricht für sich, dass Sie immer wieder stillschweigend<br />
akzeptieren, dass viele ausländische Pro-<br />
(B)<br />
Die Zahlen der WHO sind genannt worden. Auch die<br />
in Großbritannien angedachte Fettsteuer ist bereits angesprochen<br />
worden. Ich selber konnte im Rahmen einer<br />
Delegationsreise in die USA feststellen, wie viele dicke<br />
Menschen bzw. Kinder dort leben. Ehrlich gesagt war<br />
auch ich schockiert.<br />
dukte importiert werden, die unseren Standards nicht<br />
entsprechen. Über diese Importe verlieren Sie kein Wort.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Was aber nutzt die Erzeugung hochwertigster Nahrungsmittel,<br />
wenn andererseits Wissen um den sachge-<br />
(D)<br />
Der „Focus“ schreibt in seiner neuesten Ausgabe über<br />
die Wenig-Fett- bzw. Wenig-Kohlenhydrate-Manie in<br />
den USA. Superfett und superdürr sind Extreme; es sind<br />
keine Lösungen. Darüber sind wir uns sicherlich einig.<br />
Essstörungen sind im Gegensatz zu Übergewicht psychosomatische<br />
Störungen, die vor allem in der Pubertät<br />
auftreten. Sie wachsen sich nicht aus. Vielen wird die<br />
Magersucht zum Lebensinhalt.<br />
rechten Umgang und die Verarbeitung immer mehr verloren<br />
geht? Meine Tochter hat es einmal auf den Punkt<br />
gebracht, als sie gesagt hat: Mama, viele verstehen, aus<br />
den besten Zutaten das schlimmste Essen zu kochen.<br />
Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir zugeben, dass<br />
der schleichende Abschied von unseren Schulküchen zur<br />
Beschleunigung des negativen Trends beim Ernährungsverhalten<br />
beigetragen hat.<br />
Eine exzessive Beschäftigung mit Körper und Ge-<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
wicht sowie Diäten sind unter Jugendlichen weit verbreitet.<br />
Untersuchungen zeigen, dass sich bereits Sieben- bis<br />
Zehnjährige zu dick finden und Diät halten.<br />
Dabei sind unsere Kinder doch begeistert und interessiert,<br />
wenn sie Lebensmittelerzeugung, Lebensmittelverarbeitung<br />
und gesundes Essen richtig vermittelt bekommen.<br />
Ich zitiere in diesem Zusammenhang Sie, sehr verehrte<br />
Frau Künast:<br />
Ernährungsbedingte Krankheiten verursachen erhebliche<br />
Kosten. Sie werden auf etwa ein Drittel<br />
der Gesamtkosten unseres Gesundheitswesens geschätzt.<br />
Die Zahlen müssten uns eigentlich wachrütteln.<br />
So äußerte sich Frau Künast im Mai 2001 vor dem Bundesverband<br />
der Verbraucherzentralen in Berlin. Ich<br />
hoffe, dass Sie nun nach drei Jahren endlich aufgewacht<br />
sind und dieses ernste Thema auch ernsthaft angehen,<br />
und zwar nicht als Event, sondern bitte nachhaltig!<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Nicht erst seit Frau Künast gibt es Aktionen und Projekte.<br />
Ich denke an dieser Stelle an die Landfrauen. Sie<br />
tagen zur Stunde parallel in Berlin und beschäftigen sich<br />
mit dem Thema „Hauswirtschaft und Ernährung“ wirklich<br />
ernsthaft. Ich denke unter anderem an die bayerischen<br />
Landfrauen, die sich zu Ernährungsfachfrauen<br />
fortgebildet haben und die sich im Rahmen des Ernährungsprojekts<br />
„Landfrauen machen Schule“ mit unseren<br />
Produkten auseinander setzen. Ich denke insbesondere an<br />
die Fachfrauen für Kinderernährung in Baden-Württemberg.<br />
Dieses Bundesland stellt alleine 500 000 Euro pro<br />
Jahr für Aufklärung zur Verfügung. Ich denke weiter an<br />
die Gesundheitsinitiative „Bayern aktiv“, durch die Kinder<br />
spielerisch erleben, welche Wirkungen ihr Ess- und