Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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10406 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />
Hans-Joachim Hacker<br />
(A) verwaltungsrechtlichen und beruflichen Bereich erlittene Darüber hinaus haben wir mehrfach Millionenbeträge (C)<br />
politische Verfolgung möglich.<br />
zur Verfügung gestellt, um dem Schicksal der Betroffe-<br />
Bis hierhin – ich spreche jetzt insbesondere Sie,<br />
meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union,<br />
nen, die über diese Stiftung Leistungen erhalten, gerecht<br />
zu werden.<br />
an – stimmen wir sicherlich überein. Auch das sage ich Auch heute – ich wende mich jetzt ganz direkt an die<br />
an dieser Stelle: Hierfür haben wir in den letzten 14 Jah- Betroffenen, an die Opfer der SED-Diktatur und an die<br />
ren nach der deutschen Einheit in Bonn und Berlin ge- Verbände, die deren Interessen auch gegenüber der Polistritten<br />
und hier haben wir uns gemeinsam engagiert. tik wahrnehmen – gilt der Appell der SPD-<strong>Bundestag</strong>s-<br />
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der<br />
Union, Sie wissen, dass die unter Ihrer politischen Verantwortung<br />
gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner<br />
FDP vorgelegten Gesetze in diesem Bereich offensichtlich<br />
Regelungsdefizite hatten. Das ist doch unbestritten.<br />
fraktion an die SED-Opfer, die noch keinen Antrag gestellt<br />
haben: Nehmen Sie Ihr Recht in Anspruch! Wir<br />
alle aus dem Deutschen <strong>Bundestag</strong> wollen, dass Sie zu<br />
Ihrem Recht kommen, dass Sie rehabilitiert werden und<br />
dass Sie die gesetzlichen Leistungen erhalten, die der<br />
Bundesgesetzgeber festgelegt hat.<br />
(Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]:<br />
Ja, das ist unbestritten!)<br />
(Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]:<br />
Wenn dann noch Geld da ist!)<br />
Auf die damaligen Änderungsanträge der SPD-<strong>Bundestag</strong>sfraktion<br />
sind Sie nicht eingegangen. Ich sage es hier<br />
einmal auf den Punkt gebracht, Frau Michalk: Es wäre<br />
richtig gewesen, wenn die damalige Bundesregierung in<br />
den 90-er-Jahren <strong>Bericht</strong>e über den Stand der Rehabilitierung<br />
und die Situation der Opfer vorgelegt hätte.<br />
Ich frage mich, was die Union mit ihrem Antrag eigentlich<br />
beabsichtigt, in dem sie die Bundesregierung<br />
auffordert, jährlich einen <strong>Bericht</strong> zum Stand der Rehabilitierung<br />
und Entschädigung der Opfer der SED-Diktatur<br />
vorzulegen. Es ist keine Vermutung, sondern durch Ihr<br />
Agieren in den letzten Jahren bewiesen, dass Sie be-<br />
Es ist ebenso richtig, dass wir im letzten Jahr die Anwusst eine bestimmte Gelegenheit schaffen wollen, um<br />
tragsfristen für die drei Rehabilitierungsgesetze noch- immer wieder eine Diskussion über die angeblichen Unmals<br />
– es war nicht das erste Mal – bis zum 31. Dezemgerechtigkeiten gegenüber den Opfern der SED-Diktatur<br />
ber 2007 verlängert haben. Ebenso sind die Beträge zu führen. Wenn es denn solche gegeben hat – ich unter-<br />
– dies wurde richtigerweise ausgeführt –, die Antragsbestreiche, dass es die gegeben hat –, dann haben Sie selbst<br />
rechtigte erhalten können, wenn eine berufliche Rehabi- während Ihrer Regierungsverantwortung diese Ungelitierung<br />
erfolgt ist, in einem bescheidenen Maße angerechtigkeiten geschaffen. Ich habe auf die entsprechen-<br />
(B)<br />
hoben worden. Richtig ist doch aber auch, dass die<br />
meisten betroffenen Menschen zum Glück Anträge geden<br />
Punkte hingewiesen; ich will das an dieser Stelle<br />
nicht wiederholen.<br />
(D)<br />
stellt haben und der größte Teil der Rehabilitierungsanträge<br />
abgearbeitet worden ist. Das war immer der Sinn<br />
der Gesetzgebung und das Interesse aller Fraktionen im<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong>.<br />
Hinter Ihren Überlegungen steht in Wirklichkeit das<br />
Ziel, auf dem Rücken der Opfer der SED-Diktatur eine<br />
Auseinandersetzung mit der Bundesregierung und mit<br />
den Koalitionsfraktionen zu führen. Das ist der eigentli-<br />
Wir haben heute also den Sachverhalt zu verzeichnen, che Hintergrund Ihres Agierens.<br />
dass die meisten Anträge abgearbeitet sind und wir mit<br />
dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher<br />
Vorschriften für Opfer der politischen Verfol-<br />
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!)gung<br />
in der DDR aus dem Jahre 1999 die offensichtlichen<br />
Defizite Ihrer Gesetzgebung – da schaue ich einmal<br />
ganz bewusst in Richtung FDP; die FDP hatte damals ja<br />
die Verantwortung im Justizministerium – beseitigt haben.<br />
Ich erinnere an die einheitliche Erhöhung der Haftentschädigung<br />
auf 600 DM, an die Einführung sozialer<br />
Ausgleichsleistungen für nächste Angehörige von Hingerichteten,<br />
an der Mauer Umgekommenen oder an den<br />
Folgen der politischen Haft Verstorbenen und an die<br />
deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel für die<br />
Stiftung für ehemalige politische Häftlinge.<br />
(Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]:<br />
Die ihr jetzt abwickeln wollt!)<br />
Ich sage dazu ganz pointiert: Das ist doppelzüngig, weil<br />
Sie nach dem eigenen Versagen in der Rehabilitierungsgesetzgebung<br />
jetzt die rot-grüne Bundesregierung und<br />
die Koalitionsfraktionen gegen die Opfer und ihre Verbände<br />
ausspielen wollen. Aber wir waren es – ich wiederhole<br />
das –, die Ihre Fehler in der Rehabilitierungsgesetzgebung<br />
bereinigt haben.<br />
Zum Schluss möchte ich versuchen, einen Konsens zu<br />
finden. Ein positives Signal zu Ihrem Antrag kann es aus<br />
der heutigen Debatte und den weiteren Erörterungen in<br />
den Ausschüssen nur dann geben, wenn die gesamte Gesellschaft<br />
– insbesondere die Verantwortlichen in den<br />
Schulen und anderen Bildungseinrichtungen – die<br />
– Herr Büttner, 300 000 DM unter Ihrer Regie stehen<br />
1,5 Millionen DM pro Jahr unter unserer Verantwortung<br />
gegenüber.<br />
Geschichte des Widerstandes gegen die SED-Diktatur<br />
wach hält. Das Schicksal der Opfer darf nicht vergessen<br />
werden. Wir müssen aus dieser geschichtlichen Erfahrung<br />
ableiten, dass Freiheit und Demokratie in Deutsch-<br />
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE land am besten dadurch verteidigt werden, dass sich<br />
GRÜNEN]: Was ist mehr: 300 000 oder möglichst viele Menschen in unserem Gemeinwesen<br />
1,5 Millionen?)<br />
engagieren, sich auch an Wahlen beteiligen und gegen