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Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag

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10394 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />

Bundesminister Jürgen Trittin<br />

(A) dass es klüger ist, Schäden vorher zu verhindern, anstatt Solche Aktionspläne müssen auch das beinhalten, was (C)<br />

sie nachträglich zu beseitigen.<br />

wir entlang der Elbe – Herr Petzold, Sie wissen das – teil-<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />

und bei der SPD)<br />

weise schon freiwillig gemacht haben. Wir müssen zum<br />

Beispiel die Deiche rückbauen, um den Flüssen mehr<br />

Raum zu geben. Wir müssen den Flüssen ihren Raum<br />

Es ist klüger vorzubeugen, als Schadensersatz zu leisten. lassen, damit sie sich ausdehnen können, ohne Schäden<br />

Diese Erkenntnisse sind der Hintergrund für dieses Ge- anzurichten.<br />

setz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes.<br />

Das bedarf bundeseinheitlicher Vorgaben. Wir<br />

setzen hier nur einen Rahmen. Es kann doch nicht wahr<br />

sein, dass es bis heute in Deutschland unterschiedliche<br />

Definitionen des Begriffs Hochwasser gibt, obwohl<br />

manche Flüsse durch ganz Deutschland, andere sogar<br />

durch ganz Europa fließen. Weil Vorbeugung die erste<br />

Voraussetzung ist, müssen wir Überschwemmungsgebiete<br />

nach einem einheitlichen Standard auf der Grundlage<br />

des so genannten hundertjährlichen Hochwassers<br />

festlegen. Das ist die Basis, auf der Kooperationen zwischen<br />

den Ländern stattfinden können.<br />

2002 gab es in den Havelpoldern, wo Mais angebaut<br />

wurde, ein großes Fischsterben. Darüber hinaus haben<br />

wir massive Schadstoffabflüsse und Erosionen in diesen<br />

Bereichen feststellen müssen. Wir sind uns wahrscheinlich<br />

in einer ruhigen Diskussion darin einig, dass das<br />

keine gute fachliche Praxis war. Deswegen darf in den<br />

Abflussbereichen, in denen Erosionen unmittelbar drohen,<br />

keine Grünlandnutzung mehr stattfinden. Übrigens<br />

verbietet schon heute die gute fachliche Praxis,<br />

Grünland in Erosionsgebieten umzubrechen. So steht es<br />

auch im geltenden Bundesnaturschutzgesetz. Unsere<br />

Perspektive bis 2013 ist daher, diesen Zustand überall<br />

Wir führen auch eine neue Kategorie ein. Damit ziehen<br />

wir die Konsequenz aus den Erfahrungen mit den<br />

dort wieder herzustellen, wo er zurzeit nicht vorhanden<br />

ist.<br />

Deichbrüchen. Lieber Kollege Petzold, es waren erheblich<br />

mehr als vier. Dass Deiche, Schotte und Ähnliches<br />

keine hundertprozentige Sicherheit bieten, haben wir bitter<br />

erfahren. Deswegen dürfen in überschwemmungsgefährdeten<br />

Gebieten, die künftig auszuweisen sind,<br />

keine Ölheizungen und – das füge ich hinzu – keine Rechenzentren<br />

und Ähnliches in den Kellern vorhanden<br />

sein. Solches würde zur Schadensmaximierung statt zur<br />

Schadensminimierung führen.<br />

Wir müssen schließlich auch Sorge tragen, dass nicht<br />

weiter die Ausnahme die Regel ist. Schon heute dürfen<br />

nach dem Wasserhaushaltsgesetz neue Baugebiete in<br />

Überschwemmungsgebieten nur in Ausnahmefällen<br />

ausgewiesen werden. Diese Ausnahme ist aber vielfach<br />

zur Regel gemacht worden. Unser Ziel ist es, diese Ausnahmen<br />

zu unterbinden; denn wir wollen den Flüssen ihren<br />

Raum geben. Solche Baugebiete, solche Gewerbegebiete<br />

sind die Flutopfer von morgen. Das gilt es heute<br />

(B) Wir geben – hier liegt der Kern des Konflikts mit den<br />

Ländern – den Ländern bestimmte Hausaufgaben auf. In<br />

der Regel sind das aber keine neuen Hausaufgaben; denn<br />

im Wasserhaushaltsgesetz und in anderen rechtlichen<br />

Vorschriften gibt es bereits entsprechende Vorgaben. Wir<br />

tragen alle in diversen Ländern Mitverantwortung und<br />

wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir es<br />

mit Vollzugsdefiziten zu tun haben.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />

durch eine solche Regelung zu verhindern.<br />

Ich füge hinzu: Ich glaube, wir tun alle gut daran – bei<br />

allen Schwierigkeiten, die solche Regelungen natürlich<br />

für jeden von uns mit sich bringen –, aus dem Jahrhunderthochwasser<br />

zu lernen. Lernen heißt ganz konkret:<br />

Vorbeugen statt Schadenersatz.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />

und bei der SPD)<br />

(D)<br />

sowie bei Abgeordneten der SPD)<br />

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:<br />

Aus diesem Grund setzen wir eine Frist, bis zu der die Das Wort hat der Kollege Michael Kauch, FDP-Frak-<br />

Hausaufgaben erledigt sein müssen.<br />

tion.<br />

Darüber hinaus machen wir diese Gebiete für die Bürgerinnen<br />

und Bürger transparent. Künftig soll in der<br />

Bauleitplanung und in den Raumordnungsplänen gekennzeichnet<br />

sein, was ein Überschwemmungsgebiet<br />

oder ein überschwemmungsgefährdetes Gebiet ist, damit<br />

jeder, der etwas plant, sich darauf einstellen kann.<br />

Michael Kauch (FDP):<br />

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenige<br />

Ereignisse haben in Deutschland eine solche Welle der<br />

Solidarität erzeugt wie das verheerende Hochwasser in<br />

Ostdeutschland. Wir waren uns damals einig: Solchen<br />

Ereignissen müssen wir besser vorbeugen.<br />

Wir brauchen Hochwasseraktionspläne für die<br />

Flusseinzugsgebiete, damit wir zu abgestimmten Handlungen<br />

zwischen Ober- und Unterliegern kommen. Es<br />

kann nicht sein, dass die Ausweitung eines Baugebiets<br />

eine Staustufe flussaufwärts dazu führt, dass der Flussunterlieger<br />

von Hochwasser betroffen ist. Ein Kölner<br />

Oberbürgermeister hat einmal spöttisch gesagt: Ein Teil<br />

der Fluten, mit denen wir hier kämpfen, ist in Baden-<br />

Württemberg verantwortet. Zu solchen Folgen, und zwar<br />

21 Monate später legt Umweltminister Trittin endlich<br />

einen Gesetzentwurf vor. Wir mussten lange darauf warten,<br />

aus meiner Sicht viel zu lange. Während die FDP-<br />

Fraktion bereits vor einem Jahr einen umfassenden Antrag<br />

zum Hochwasserschutz in den <strong>Bundestag</strong> eingebracht<br />

hat, war der Bundesregierung das Thema offenbar<br />

nicht mehr wichtig genug. Der Wahlkampf auf gebrochenen<br />

Deichen war schließlich vorbei.<br />

nicht nur für die Kölner, sondern für alle Unterlieger, Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält so-<br />

darf es nicht mehr kommen.<br />

wohl Licht als auch Schatten. Wesentliche Regelungen

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