Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Hans-Michael Goldmann<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10331<br />
(A) Ansatz. Wenn Sie an den Diskussionen, die wir gerade in (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C)<br />
letzter Zeit zu dem Thema hatten, an den Veranstaltun- der CDU/CSU – Krista Sager [BÜNDNIS 90/<br />
gen von der Lebensmittelwirtschaft, von Ärzten, von DIE GRÜNEN]: Sie haben uns doch Tiefgang<br />
Kindertagesstätten und von Schulen teilgenommen hät- versprochen! Wann kommt der denn mal?)<br />
ten, wenn Sie im Rahmen der Grünen Woche bei den<br />
Landfrauen Ihre Unterschrift geleistet hätten – alles Aktionen,<br />
die auf mehr Aufklärung in diesem Bereich abzielen<br />
und darauf, das Wissen und das Können zu erhö-<br />
Sie wollen den Bürgern den Appetit verderben. Sie unterscheiden<br />
Lebensmittel in schlecht und gut, in böse<br />
und gut.<br />
hen –, dann würden Sie mir eine solche Frage nicht<br />
stellen. Selbstverständlich müssen wir uns um diese<br />
Dinge bemühen. Es gibt auch Studien darüber, die Ihnen<br />
bekannt sein müssten.<br />
Sie sollten sich einmal mit den Erkenntnissen der<br />
Amerikaner in diesem Bereich beschäftigen. Dort gibt es<br />
ein hohes Maß an Sorge, dass sich Kinder überhaupt<br />
nicht mehr ernähren, weil sie Angst davor haben, sich<br />
(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Sie scheinen sie<br />
nicht zu kennen!)<br />
mit den falschen Lebensmitteln zu ernähren. Ich glaube,<br />
es geht darum, das rechte Maß zu finden. Jeder, der mit<br />
Kindern zu tun hat – hiervon gibt es unter uns ja<br />
Aber diese Studien haben etwas mehr Substanz als zum<br />
Beispiel die Studie, die die Frau Ministerin hier ins Gespräch<br />
gebracht hat. Sie zeigt im Grunde genommen<br />
einen simplen Mechanismus auf: Die junge Generation<br />
sei die erste, die vor ihren Eltern sterbe. Man darf es<br />
einige –, weiß, dass Verbote – zum Beispiel: Iss keine<br />
Schokolade! – überhaupt nicht helfen. Es geht vielmehr<br />
darum, aufzuzeigen, was passiert, wenn das Kind zu viel<br />
Schokolade isst. Verteufeln hilft in diesem Bereich überhaupt<br />
nicht.<br />
zwar hier nicht sagen, aber: Das ist doch Schwachsinn!<br />
Das wird doch dem Problem überhaupt nicht gerecht!<br />
(Zuruf von der SPD: Das will auch niemand!)<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –<br />
Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das zeigt doch<br />
das Problem auf, Herr Goldmann!)<br />
Ich hatte es schon angesprochen: In den USA zeichnen<br />
sich die Ergebnisse der Indoktrination in Bezug auf<br />
das Kalorienzählen – das, was Sie machen, ist Indoktrination<br />
– längst ab.<br />
(B)<br />
Das Problem ist doch nicht, dass die junge Generation<br />
vor der älteren stirbt, sondern das Problem ist, dass es in<br />
dieser Gesellschaft eine Anzahl von jungen Menschen<br />
– eine zu große Anzahl – gibt, die sich aufgrund genetischer<br />
Veranlagung, sozialer Kompetenzen – wir haben<br />
vorhin die Migrationsfrage angesprochen – und schlicht<br />
(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />
Das ist doch dummes Zeug ohne Tiefgang,<br />
was Sie da erzählen!)<br />
Amerikanische Kinder fürchten sich davor zu essen. Das<br />
können Sie doch nicht wollen.<br />
(D)<br />
und ergreifend aufgrund von Bewegungsmangel selbst<br />
in die Situation versetzen, dass ihnen keine freiheitliche<br />
Teilnahme an unserer Gesellschaft mehr möglich ist.<br />
(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das ist doch lächerlich!)<br />
Das ist das Problem, mit dem wir es zu tun haben. Die- – Das, was Sie ausgeführt haben, war hochgradig lächerses<br />
Problem lässt sich, wie ich schon gesagt habe, nicht lich, geschätzte Kollegin.<br />
von oben nach unten lösen, sondern einzig und allein<br />
von unten nach oben. Das weiß eigentlich jeder, der sich<br />
damit beschäftigt.<br />
(Beifall der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan<br />
[FDP])<br />
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
Sie erklären, dicke Kinder hätten schlechte Startchancen.<br />
Diese Aussage ist in Ordnung; damit sind wir einverstanden.<br />
Aber sorgen Sie dafür, dass sich die Startchan-<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hatte es schon<br />
angesprochen: Der Problemkreis ist komplex. Es geht<br />
um mehr als um Übergewicht; es geht um Lebensstil und<br />
cen der Menschen verbessern! Stigmatisieren Sie diese<br />
Menschen nicht, sondern nehmen Sie sie in die Gesellschaft<br />
hinein,<br />
Gesundheit. Ernährung allein und insbesondere, liebe<br />
Kollegin Höfken, einzelne Lebensmittel sind nicht für<br />
die Entstehung von Übergewicht verantwortlich. Das ist<br />
(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />
Was erzählen Sie da für einen Unsinn!)<br />
keine Erkenntnis von mir. Das ist auch nicht neu. Das indem Sie diese Plattform dafür nutzen, den Weg von<br />
hat Professor Müller schon vor vielen Jahren in einer unten nach oben auszugestalten!<br />
sehr interessanten Adipositaspräventionsstudie dargestellt,<br />
die in Fachkreisen jeder kennt. Das Ergebnis ist<br />
simpel: Gewichtsunterschiede von Kindern sind im We-<br />
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
sentlichen auf Unterschiede der körperlichen Aktivität Sie sagen, dass sich Kinder falsch ernähren. Wir wol-<br />
bzw. Inaktivität, auf soziale Aspekte und mögliche genelen den Kindern sowie den Erzieherinnen und Erziehern<br />
tische Risiken zurückzuführen.<br />
vermitteln, wie man sich gesund ernährt. Wir Liberale<br />
wollen also einen ganz anderen politischen Weg beschreiten.<br />
Frau Künast, Sie wollen einen neuen Lebensstil und<br />
neue Essgewohnheiten. Sie haben immer wieder „Wir<br />
wollen, wir wollen“ gesagt; aber nicht Sie müssen wollen,<br />
sondern die Bürger.<br />
(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />
Sie haben ja gar nicht zugehört!)