Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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10474 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />
(A) Strukturen und Ressorts aufbrechen – und das nur, damit Frage ist auch, dass das Havariekommando eine wich- (C)<br />
neue Strukturen und Ressorts mit denselben Aufgaben tige Teilfunktionalität der Maritimen Notfallvorsorge<br />
und denselben Zuständigkeiten wieder aufgebaut wer- darstellt.<br />
den. Der heutige Koordinierungsverbund Küstenwache,<br />
auf den Sie, meine Damen und Herren der Opposition,<br />
zu Ihrer Regierungszeit sehr stolz waren, hat sich im<br />
Kern bewährt. Die Zusammenarbeit zwischen dem Koordinierungsverbund<br />
Küstenwache und dem Havariekommando<br />
funktioniert.<br />
Ob das allerdings ausreicht, um im Ernstfall wirklich<br />
umfassend zu reagieren, scheint die Regierungskoalition<br />
in ihrem Antrag selbst anzuzweifeln. Nur so ist die Forderung<br />
nach einer schnelleren, effektiveren und kostengünstigeren<br />
Zusammenarbeit in dem vorliegenden Antrag<br />
zu erklären.<br />
Dennoch gilt es, neuen Anforderungen gerecht zu<br />
werden. Wir wollen eine Küstenwache. Wir wollen<br />
Havariekommando, Küstenwache und Point of Contact<br />
unter einem Dach. Die Minister haben sich für den<br />
Standort Cuxhaven entschieden, was ich persönlich natürlich<br />
sehr begrüße. Es gilt, bestehende Strukturen zu<br />
überprüfen und Synergieeffekte zu nutzen: Wasserschutzpolizeien<br />
und andere Landesbehörden werden<br />
weiterhin in einem neuen Küstenwachezentrum beteiligten.<br />
Wir werden behördenübergreifende Organisations-<br />
und Weisungsstrukturen, insbesondere für den<br />
Ernstfall, schaffen. Die Zusammenarbeit der verschiedenen<br />
Bundes- und Landesbehörden muss einheitlich koordiniert<br />
werden. Es wird ein rasch einsatzfähiges Lageund<br />
Einsatzzentrum für Nord- und Ostsee unter einem<br />
Dach geschaffen.<br />
Ihre Zweifel sind berechtigt. Durch die derzeitige<br />
Struktur der maritimen Überwachungs- und Vollzugsaufgaben<br />
ist auch das Havariekommando nur bedingt<br />
einsatzfähig. Deutlich wurde dies im Dezember letzten<br />
Jahres, als der Frachter „Andinet“ drei Container und<br />
63 Fässer mit hochgiftigem Holzschutzmittel vor der<br />
niederländischen Küste verlor. Als die Fässer an den ostfriesischen<br />
Inseln zu stranden drohten, fühlte sich das<br />
Havariekommando – so der damaligen <strong>Bericht</strong>erstattung<br />
zu entnehmen – zunächst nicht zuständig. Eine katastrophale<br />
Informationspolitik hat die Bevölkerung vor Ort<br />
zusätzlich beunruhigt. Die notwendige Zusammenarbeit<br />
zwischen den regionaler Behörden und dem Havariekommando<br />
hat es anscheinend nicht gegeben. Die Fässer<br />
treiben noch immer im Meer; die Suche wurde abgebrochen.<br />
Damit ist die erste Bewährungsprobe für das Ha-<br />
Dabei ist eins klar: Den von der CDU/CSU heraufbevariekommando beinahe selbst zur Havarie geworden.<br />
(B)<br />
schworenen Kompetenzwirrwarr im Falle einer terroristischen<br />
Bedrohung wird es in der Realität nicht geben.<br />
Ein solcher Ernstfall, von dem wir natürlich hoffen, dass<br />
er niemals eintreten wird, löst eine polizeiliche Sonderlage<br />
mit entsprechend klaren Strukturen und Zuständigkeiten<br />
aus. Jedes zuständige Ressort erhält umfassende<br />
Kompetenzen und Weisungsbefugnisse. Auf dem Land<br />
sprechen Sie auch nicht von Kompetenzwirrwarr. – Hier<br />
gibt es ebenfalls je nach Gefahrenlage und Situation unterschiedliche<br />
Zuständigkeiten. Der Bundesgrenzschutz<br />
kooperiert mit der Polizei der verschiedenen Bundesländer<br />
und dem Zoll – und keiner würde ernsthaft behaupten,<br />
dass es dort Unklarheiten über die Aufgabenverteilung<br />
gibt.<br />
Die anhaltende Abwehrhaltung gegenüber einer einheitlichen<br />
Küstenwache ist für uns nicht nachvollziehbar.<br />
Denn im Ziel sind wir uns einig: Wir brauchen einen<br />
umfassenden Seesicherheits-, nicht nur einen Küstenschutz,<br />
professionell und kostengünstig. Dafür müssen<br />
die rechtlichen Voraussetzungen jetzt geschaffen werden.<br />
Alle im Koalitionsantrag aufgeführten – richtigen –<br />
Forderungen lassen sich durch die Schaffung einer nationalen<br />
Küstenwache auf Anhieb verwirklichen. Doch ist<br />
der Antrag lediglich ein weiterer Schritt zur „Koordinierung<br />
der Koordination“, anstatt endlich einem ganzheitlichen<br />
Lösungsansatz zu folgen und die Kräfte in einer<br />
Hand, mit einheitlicher nationalen Küstenwache nach<br />
dem möglichen Beispiel der US Coast Guard, zu bün-<br />
(D)<br />
Der Föderalismus, meine Damen und Herren, hat sich deln. Durch den Antrag wird das Hauptproblem, nämlich<br />
im Bereich der Gefahrenabwehr bewährt. Er ist fester das Nebeneinander von vier verschiedenen Bundesres-<br />
Bestandteil unseres Grundgesetzes und unserer Gesellsorts und 16 Dienststellen auf dem Wasser, nicht behoschaft.<br />
Er verhindert durch die örtliche Verteilung und ben. Es wird lediglich Flickschusterei betrieben.<br />
die Verschränkung von Kompetenzen auf verschiedene<br />
Institutionen und Personen, dass sich zu viel Macht in einer<br />
Hand zusammenfindet. Aus diesem Grund ist unser<br />
Ziel: die optimale Koordinierung der vorhandenen<br />
Strukturen in Abstimmung mit den Bundesländern, im<br />
Alltagsbetrieb und im Ernstfall – und nicht die Zentralisierung<br />
von Kompetenzbereichen.<br />
Auch nach einer Optimierung der bestehenden Strukturen<br />
des Koordinierungsverbundes Küstenwache bleibt<br />
immer noch erheblicher Abstimmungsbedarf. Der von<br />
uns geforderte Einsatz der Bundesmarine gegen terroristische<br />
Angriffe wird immer wieder mit dem Verweis auf<br />
die Amtshilfe bzw. das Seerechtsübereinkommen abgewiesen.<br />
Der Abstimmungsbedarf im Notfall nimmt da-<br />
Meine verehrten Damen und Herren, nun gilt es, die durch allerdings nicht ab, sondern zu.<br />
vorhandenen Kräfte zu bündeln. Lassen Sie uns Bewährtes<br />
optimieren, damit die neue Küstenwache, eine<br />
schlagkräftige Antwort auf mögliche neue Gefahren<br />
wird.<br />
Der Einsatz der Bundesmarine muss auf eine eindeutige<br />
und gesicherte Rechtsgrundlage gestellt werden,<br />
denn im Ernstfall können BGS und Bundesmarine nicht<br />
direkt angefordert werden. Die Ankündigung von Bundesverkehrsminister<br />
Peter Struck in den „Lübecker<br />
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Grund- Nachrichten“, der offensichtlich unseren Antrag sorgfälsätzlich<br />
begrüßen wir Ihr Bemühen um mehr Sicherheit tig gelesen und verstanden hat, die Bundeswehr jetzt<br />
vor der deutschen Küste; das ist keine Frage. Keine auch zur Bekämpfung von Terrorgefahren auf See ein-