Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Hans-Werner Bertl<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10355<br />
(A) nur kurzfristig in der Öffentlichkeit – und stelle fest, zugunsten derjenigen, die eine Ausbildung brauchen, (C)<br />
dass Politik für die Kompensation eines Mangels zustän- wie auch für diejenigen, die in wenigen Jahren die Ausdig<br />
ist, die eigentlich von denen geleistet werden müsste, gebildeten brauchen.<br />
die zuständig sind und dies nicht wollen oder vielleicht<br />
manchmal nicht können.<br />
(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]:<br />
Notwehr!?)<br />
Seit einigen Wochen steht das Thema wieder im Fokus<br />
der Öffentlichkeit. Ich will Ihnen offen sagen: Ich<br />
– Ja, Notwehr.<br />
bin so optimistisch, den Vertretern der deutschen Wirt- In der Diskussion über unser duales System und in<br />
schaft, die gestern ihre Unterschrift geleistet haben, zu der Auseinandersetzung über den vorliegenden Gesetz-<br />
trauen und zuzutrauen, dass sie es diesmal ernst meinen. entwurf hat es mich gewundert, wie filibusterhaft sich<br />
Ich habe am 7. Mai in der Debatte über das Ausbildungs- Teile der Medien, aber auch die Opposition seitenweise<br />
platzsicherungsgesetz die im „Spiegel“ aufgeführte Liste damit beschäftigt haben, Sinn oder Unsinn, Probleme<br />
des Versagens hinsichtlich der Selbstverpflichtungen der der Anwendung und die Konsequenzen des Gesetzes für<br />
deutschen Wirtschaft zitiert und auf die Entschuldigung die Wirtschaft ausgiebig zu diskutieren.<br />
von Hans-Olaf Henkel hingewiesen, der diese Bilanz des<br />
Versagens als Notwehr gegenüber der Politik abgetan<br />
hat.<br />
Ich habe aber kaum einmal den Appell lesen können,<br />
nun endlich in diesem Land die Ärmel aufzukrempeln,<br />
sich zusammenzusetzen und ein Problem zu lösen,<br />
Heute bin ich zuversichtlicher und will der deutschen<br />
Wirtschaft einen großen Vertrauensvorschuss geben. Ich<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
glaube, dass sie ihr Versprechen diesmal halten will und<br />
dies auch schaffen wird. Meinen sie es ernst, ist das Erfüllen<br />
der Zusagen – angesichts der Tatsache, dass nur<br />
23 Prozent der ausbildungsberechtigten Unternehmen<br />
auch tatsächlich ausbilden – sicherlich eine der leichtesten<br />
Übungen; es ist kein großer Kraftakt.<br />
welches auch unter den gegenwärtigen, sicherlich nicht<br />
einfachen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in unserem<br />
Land lösbar ist.<br />
Ich sage Ihnen von der Opposition: Sie sollten darüber<br />
nachdenken, ob es Sinn macht, eine Regierung und<br />
die sie tragenden Koalitionsfraktionen dafür zu kritisie-<br />
Wir werden erleben, dass sich die Repräsentanten der ren, dass sie im Angesicht stetig steigender Jugend-<br />
Wirtschaft mit der Solidarität ihrer Mitglieder auseinanarbeitslosigkeit aus berechtigter Sorge zu einem Instruder<br />
zu setzen haben – eine Erfahrung, die letztendlich ment greifen, welches eine Lösung sein kann und<br />
ihre Legitimation dokumentieren wird.<br />
welches von uns so offen strukturiert worden ist, dass es<br />
(B) (Beifall bei der SPD)<br />
die Verantwortung derjenigen in den Vordergrund stellt,<br />
die für Ausbildung zuständig sind. Ein solches Gesetz zu<br />
(D)<br />
Wir in der Politik kennen solche Erfahrungen, aber wann<br />
hat es je in unserem Land eine Sondervollversammlung<br />
machen ist sicherlich ungewöhnlich und neu. Aber vielleicht<br />
wollte man es nicht verstehen.<br />
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages gegeben,<br />
um den jungen Menschen, die in wenigen Tagen<br />
ihre Schulen verlassen, ernsthaft zu helfen? Ich glaube,<br />
indem sie beim Bundeskanzler, im Fokus der Öffentlichkeit,<br />
ihre Unterschrift geleistet haben, sind sie eine große<br />
Verpflichtung eingegangen, auf deren Einhaltung jetzt<br />
geachtet werden muss.<br />
(Werner Lensing [CDU/CSU]: Der geballte<br />
Sachverstand steht gegen Ihre Ausführungen,<br />
Herr Kollege! – Widerspruch des Abg. Jörg<br />
Tauss [SPD])<br />
Was ist daran falsch, wenn durch aktives, freiwilliges<br />
Handeln ein Gesetz überflüssig sein wird? Ist das nicht<br />
der eigentlich erwünschte Zustand einer Zivilgesell-<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
schaft, nämlich sich dort verantwortlich zu erklären, wo<br />
Wir können zwar über den einen oder anderen Satz<br />
der Vereinbarung streiten, rätseln oder ihn so interpretieren,<br />
wie auch immer er in unsere Vorbehalte zu passen<br />
scheint. Was aber in diesem Jahr letztlich zählt, sind die<br />
man Verantwortung auch wahrnehmen kann, oder geht<br />
es hier nur noch um Kritik und um das Skandalisieren<br />
ohne Rücksicht darauf, dass es hier letztendlich um Jugendliche<br />
geht?<br />
realen Angebote, sind die zusätzlich gewonnenen<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Lebenschancen für junge Menschen und ist die Botschaft:<br />
„Wir brauchen euch! Wir lassen es nicht zu, dass<br />
ihr ins Abseits gestellt werdet.“ Die Bilanz wird von uns<br />
im Parlament zu bewerten sein. Im Lichte dieser Bilanz<br />
hat das Parlament die Souveränität, zu entscheiden, ob<br />
das auf Eis gelegte Gesetz aufgetaut wird oder weiter liegen<br />
bleibt. Das verstehe ich – ich will das deutlich zum<br />
Wenn Letzteres der Fall ist, dann muss ich Ihnen sagen,<br />
dass das für mich billige und auch ein Stück weit erbärmliche<br />
Opposition ist; denn ein konstruktiver Vorschlag<br />
zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit, der<br />
echte Alternativen geboten hätte, ist von Ihnen nicht in<br />
die Diskussion eingebracht worden.<br />
Ausdruck bringen – nach wie vor nicht als Drohung.<br />
Auch das habe ich bereits in der Debatte am 7. Mai ausgeführt.<br />
Unser Motiv ist Notwehr<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Die Zusage der Wirtschaft, bis 2007 jährlich<br />
(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: Das ist doch 30 000 neue Ausbildungsplätze und 25 000 Prakti-<br />
lächerlich! Misstrauen!)<br />
kumsplätze für den Erwerb von betrieblichen