Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Dr. Gesine Lötzsch<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10451<br />
(A) Holsteins gezeigt wurde. Ihre Fahne ist und bleibt der schaft empfinden. Auf die Zwischenrufe eingehend, (C)<br />
Danebrog.<br />
merke ich an: Augenscheinlich fällt Ihnen das schwer,<br />
Auch die ihre Muttersprache noch beherrschenden<br />
meine Damen und Herren.<br />
Friesen lassen sich bei weitem nicht alle durch das Vielen Dank.<br />
Deutschtum vereinnahmen. Das Grundgesetz jedoch deklariert<br />
alle Inhaber deutscher Pässe zu Deutschen. Zugespitzt<br />
gesagt: Danach ist die Anerkennung nationaler<br />
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])<br />
Minderheiten in Deutschland eigentlich verfassungswid- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:<br />
rig.<br />
Nun hat die Kollegin Karin Evers-Meyer, SPD-Frak-<br />
(Rudolf Bindig [SPD]: Was ist denn das für<br />
tion, das Wort.<br />
ein wirres Zeug? – Dr. Cornelie Sonntag-<br />
(Beifall bei der SPD – Wolfgang Börnsen<br />
Wolgast [SPD]: Absolut neben der Sache! –<br />
[Bönstrup] [CDU/CSU]: Karin, nu seeg mal<br />
Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/<br />
CSU]: Da sind die Minderheiten viel, viel wei-<br />
wat Fröhliches!)<br />
ter!)<br />
Karin Evers-Meyer (SPD):<br />
– Hören Sie doch erst einmal zu!<br />
Verehrter Herr Vörsitter! Leeve Fruunslüüd un<br />
Ich meine, es ist höchste Zeit, den antiquierten<br />
Art. 116 des Grundgesetzes endlich ersatzlos zu streichen.<br />
Mannslüüd! Fief Johr is dat her, dor is de Europäische<br />
Charta för Regional- un Minderheitenspraken Gesetz<br />
worrn. Von dorum snackt oder praat wi över den tweeten<br />
Staatenbericht von de Spraken-Charta. Mit de Ünner-<br />
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])<br />
Der Hauptwiderspruch bundesdeutscher Minderheitenpolitik<br />
ist jedoch die unterschiedliche Behandlung der<br />
vier autochthonen Minderheiten einerseits und der nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg eingewanderten Minderheiten<br />
andererseits; Herr Kollege Steenblock ist bereits darauf<br />
eingegangen. Die autochthonen Minderheiten sind anerkannt<br />
und haben zu Recht Anspruch auf Förderung ihrer<br />
Sprache und Kultur. Von den allochthonen, also den späschrift<br />
ünner de Charta gifft dat ok för de plattdüütsche<br />
Spraak – för de snack ik vandagen oder vanavend so’n<br />
beten – en Regelwark, wor nipp un nau binnen steiht:<br />
Plattdüütsch is en Stück Kultur un dit Stück Kultur is<br />
wichtig för de Minschen in’n Noorden vun Düütschland;<br />
un us Bundesregerung un de Bundeslänner staht dor dankenswerterwies<br />
för in.<br />
(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/<br />
CSU]: Du snackst ’n schöönes Platt!)<br />
(B) ter eingewanderten Minderheiten – einer Bevölkerung<br />
von mehreren Millionen – verlangt zum Beispiel der<br />
Bundesinnenminister explizit die Germanisierung.<br />
(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/<br />
CSU]: Frechheit!)<br />
Man so’n lüttjes beten hett dor för de Plattdüütschen een<br />
Uul seten.<br />
De Minschen hebbt wiss und wohrhaftig dacht, wenn<br />
dat Gesetz eerst dor is un wenn dat ok noch vun Europa<br />
kümmt, denn müss dat doch egentlich bannig vörangahn.<br />
(D)<br />
O-Ton Schily:<br />
Ich will nicht, dass sich eine homogene Minderheit<br />
entwickelt, deren erste Sprache Türkisch ist … Die<br />
Muttersprache muss Deutsch sein oder werden.<br />
Denn warrt wat doon för us Spraak. Denn maakt wi Projekte<br />
mit Plattdüütsch in’n Kinnergoorn, in de School<br />
– ganz wichtig –, an’n Arbeitsplatz. Un beter warrt dat<br />
ok in de Kultur: bi de plattdüütschen Böker, bi de Musikgruppen,<br />
bi de Theaters.<br />
Wo bleibt da die Toleranz des vom Bundeskanzler<br />
höchstpersönlich gewürdigten Toleranzpreisträgers<br />
Schily?<br />
Man wenn wi nipp un nau henkiekt, denn warrt wi<br />
wies: so richtig röögt hett sik för de Plattdüütschen noch<br />
gor nix. Snacken is een Ding; Doon is ’n anner.<br />
(Rudolf Bindig [SPD]: Das deutsche Volk<br />
setzt sich aus mehreren Sprachgruppen zusammen!<br />
– Weitere Zurufe von der SPD und der<br />
CDU/CSU)<br />
Könnte es sein, dass der neuerdings in den Medien wieder<br />
beklagte Rückgang der Einbürgerungsanträge auch<br />
damit zusammenhängt?<br />
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der<br />
FDP)<br />
Wo liggt dat nu an? De wichtigste Punkt is woll düsse: In<br />
de Spraken-Charta steiht Platt blangen de Minderheitenspraken.<br />
De Minderheiten- oder Autochtonenspraken<br />
höört ethnische Gruppen to. Se hebbt to’n Bispill gemeensame<br />
Traditionen, ehre Trachten un so wieder. De<br />
(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Pfui!)<br />
Plattdüütschen sünd avers blots över ehre Spraak verbunnen.<br />
– Was heißt hier „Pfui!“? Was ist das für ein Zwischenruf?<br />
– Wie soll da die Integration der ausländischen Mitbürger,<br />
wie sie meist genannt werden, gelingen?<br />
In de Charta gellt för Freesch, Sorbisch, Däänsch un<br />
de Spraken vun de Sinti un Roma un ok för Platt desülvigen<br />
Regeln. Un ik meen, wenn dat een Gesetz geven<br />
Wir werden in Deutschland nur gut und friedlich zu- deit, denn schullen ja woll ok desülvigen Regeln gellen<br />
sammenleben können, wenn wir Unterschiede nicht als för all de Sprakengruppen, üm de dat hier geiht. Se hört<br />
Hindernis, sondern als Bereicherung für unsere Gesell- doch all de Regional- oder Minderheitenspraken to.