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Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag

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10456 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004<br />

Günter Nooke<br />

(A) der beiden totalitären Diktaturen des 20. Jahr- In diesem Zusammenhang hat die rot-grüne Bundes- (C)<br />

hunderts: Nationalsozialismus und Kommunismus. regierung in einer Unterrichtung in der vergangenen Le-<br />

Beide sind Bestandteile der deutschen Geschichte. gislaturperiode betont, dass die Gedenkstätten an den<br />

Wir haben bewusst das Wort „Diktaturgeschichte“ im<br />

Titel unseres Antrags gewählt, um deutlich zu machen,<br />

dass die deutsche Geschichte im vergangenen Jahrhundert<br />

von zwei Diktaturen geprägt war.<br />

authentischen Orten zur Erinnerung an beide Diktaturen<br />

und zum Gedenken an die Opfer Stützpunkte von zentraler<br />

Bedeutung sind. Die Erinnerungskultur müsse als gesamtstaatliche<br />

und gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen<br />

werden.<br />

Ich möchte gleich zu Beginn unmissverständlich feststellen:<br />

Dabei geht es in keiner Weise darum, das Terrorsystem<br />

des Nationalsozialismus mit der SED-Diktatur<br />

gleichzusetzen oder gar die Singularität des Holocaust<br />

anzuzweifeln.<br />

Das alles sollte zwischen uns unstrittig sein. Umso<br />

bedauerlicher ist es, dass von der Regierung auch bezogen<br />

auf den letzten Teil nur Lippenbekenntnisse zu hören<br />

sind, während in der Sache wenig geschehen ist. Zumindest<br />

erwarte ich, dass Sie uns nicht vorwerfen, wir<br />

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE würden diesen Konsens verlassen, weil Sie sich nicht<br />

GRÜNEN]: Genau das passiert aber!)<br />

mehr daran erinnern lassen wollen.<br />

In unserem Antrag werden auch keine Opfergruppen<br />

vermischt. Das sind unhaltbare Unterstellungen, die<br />

durch keine einzige Textstelle in unserem Antrag belegt<br />

werden.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-<br />

NIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

Es wäre vielmehr zu wünschen, wir könnten auch in dieser<br />

Debatte und in den Beratungen unseres Antrags an<br />

den Konsens, den ich eben dargestellt habe, anknüpfen.<br />

(B)<br />

Vielmehr beginnt gleich der zweite Absatz unseres<br />

Antrags mit einem für mich selbstverständlichen Satz,<br />

den ich allen jüdischen Opferorganisationen, aber auch<br />

allen anderen Organisationen gegenüber als tiefe persönliche<br />

Überzeugung und dauerhaftes Handlungsprinzip<br />

der CDU/CSU-Fraktion zitieren möchte:<br />

Das Nationalsozialistische Regime hat mit dem<br />

millionenfachen Mord an den europäischen Juden<br />

ein singuläres Verbrechen begangen, das immer ein<br />

spezielles Gedenken erfordern wird.<br />

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/<br />

DIE GRÜNEN]: Sie heben doch den Konsens<br />

auf!)<br />

Die nationale Bedeutung der NS-Gedenkstätten für<br />

die Erinnerungskultur ist unstrittig. Wenn es um die angemessene<br />

und langfristig abgesicherte Finanzierung<br />

geht, ist die aktuelle Lage auch für diese Gedenkstätten<br />

schon nicht mehr ganz so klar. Die Arbeit dieser Einrichtungen<br />

ist nicht nur über Projektförderungen zu unterstützen,<br />

sondern sie sollte über eine institutionelle För- (D)<br />

(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das haben derung langfristig abgesichert werden.<br />

Sie schön nachgeschoben!)<br />

Das im <strong>Bericht</strong> der Enquete-Kommission ebenfalls<br />

– Ich kann noch viele selbstverständliche Aussagen hin- angesprochene Gedenken an die SED-Diktatur ist dagezufügen.<br />

Jeden, der versucht, sich vorzustellen, wie der gen im öffentlichen Bewusstsein ungenügend verankert<br />

im Naziregime organisierte industrielle Massenmord an und in den Gedenkstätten unzureichend umgesetzt. Das<br />

den Juden abgelaufen ist, überkommt ein Schaudern, ist der Grund für unseren Antrag.<br />

Scham und das sichere Gefühl, dass wir uns niemals der<br />

Verantwortung entziehen dürfen, daran zu erinnern, was<br />

Deutsche den europäischen Juden angetan haben.<br />

Wir verabschieden uns nicht vom Konsens aller Parteien<br />

mit Ausnahme der PDS in den Enquete-Kommissionen<br />

der 12. und 13. Legislaturperiode. Wir wollen<br />

Es besteht kein Zweifel: Bautzen ist nicht Auschwitz. vielmehr, dass er auch in den SBZ- und DDR-Gedenk-<br />

Trotzdem muss auch Bautzen als Synonym für die Verbrechen<br />

der SED-Herrschaft Teil unseres nationalen Bewusstseins<br />

sein.<br />

stätten umgesetzt wird.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)<br />

Dabei berufen wir uns ausdrücklich auf die Ergebnisse<br />

der Enquete-Kommission des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es<br />

zu den Folgen der SED-Diktatur. Im Schlussbericht wird<br />

festgestellt – ich zitiere –:<br />

Die Erinnerung an die beiden Diktaturen, die die<br />

Feindschaft gegen Demokratie und Rechtsstaat verbunden<br />

hat, schärft das Bewusstsein für den Wert<br />

von Freiheit, Recht und Demokratie. Dies, wie die<br />

notwendige Aufklärung über die Geschichte der<br />

Ein weiteres Beispiel für die ungenügende Bewusstseinslage<br />

zeigt auch die Debatte über die SED-Opferrenten<br />

am heutigen Nachmittag.<br />

Der wesentliche Grund, warum wir diesen Antrag für<br />

notwendig erachten und weswegen wir die öffentliche<br />

Diskussion ausdrücklich begrüßen, lässt sich in einem<br />

Satz zusammenfassen:<br />

Hierzulande wird die stalinistische Vergangenheit<br />

der DDR … meist als Regionalgeschichte abgetan,<br />

statt als gesamtdeutsches Erbe angenommen zu<br />

beiden Diktaturen, ist der Kern des antitotalitären werden.<br />

Konsenses und der demokratischen Erinnerungskultur<br />

der Deutschen.<br />

Das ist ein Zitat aus einer Berliner Tageszeitung, dem<br />

„Tagesspiegel“ vom 6. Juni dieses Jahres, der sich nicht<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

mit unserem Antrag, sondern mit der Flick-Collection,

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