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Stenografischer Bericht: 114. Sitzung - Deutscher Bundestag

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Maria Michalk<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>114.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2004 10405<br />

(A) eignis in den Köpfen vieler Menschen als Zeichen der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C)<br />

Hoffnung weiter. Erst nach dem Untergang des SED-Re- Nächster Redner ist der Kollege Hans-Joachim<br />

gimes und der Öffnung der Archive wurde das ganze<br />

Ausmaß der damaligen Proteste deutlich. Der Gedenktag<br />

Hacker, SPD-Fraktion.<br />

soll den Mut und den Freiheitswillen der damaligen<br />

Menschen im Bewusstsein der heutigen Menschen wach<br />

halten. Wir als Parlament wollen zugleich immer wieder<br />

nachfragen, wie wir den Opfern der SED-Diktatur insgesamt<br />

rechtliche Rehabilitierung und materielle Entschädigung<br />

zukommen lassen können.<br />

Hans-Joachim Hacker (SPD):<br />

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen<br />

und Kollegen! Bevor ich auf den Antrag der Unionsfraktion<br />

eingehe, möchte auch ich gern an das historische<br />

Datum 17. Juni 1953 erinnern. Am heutigen Tag jährt<br />

sich zum 51. Mal der Volksaufstand in der DDR. Am<br />

Dass die Aufarbeitung des SED-Unrechts für die<br />

Menschen selbst noch nicht abgeschlossen ist, sehen wir<br />

an dem ungebrochenen Wunsch, in ihre Akten Einsicht<br />

zu nehmen. Deshalb ist es wirklich positiv zu bewerten,<br />

dass fraktionsübergreifend die Antragsfrist weiter verlängert<br />

wurde. Auch dass die Ausgleichsleistungen im<br />

Beruflichen Rehabilitierungsgesetz zum 1. Januar dieses<br />

Jahres erhöht wurden, ist ein richtiges Signal. Aber machen<br />

wir uns nichts vor: Viele Menschen, die besondere<br />

Schicksale erlittenen haben, leben bescheiden von der<br />

Grundsicherung und verstehen die Welt nicht mehr,<br />

wenn sie lesen müssen, dass ihren damaligen Peinigern<br />

17. Juni 1953 erhoben sich Menschen in der DDR und<br />

demonstrierten für Freiheit, Demokratie und die Herstellung<br />

der deutschen Einheit. Ausgangspunkt für den<br />

Volksaufstand – auch das sollte noch einmal in Erinnerung<br />

gerufen werden –, der von der Arbeiterschaft der<br />

DDR – der im SED-Duktus sozial gesehen führenden<br />

Kraft der Gesellschaft – ausging, war die von der SED<br />

am 14. Mai 1953 beschlossene Erhöhung der Arbeitsnormen.<br />

Dieser Kurs wurde zwar korrigiert und durch<br />

einen so genannten neuen Kurs ersetzt; die von der SED<br />

vorgenommenen Korrekturen an den Beschlüssen konnten<br />

jedoch den Protest nicht aufhalten.<br />

monatliche Renten gezahlt werden – ja, gezahlt werden<br />

müssen –, von denen sie nur träumen können.<br />

Bereits im Vorfeld des 17. Juni 1953 gab es Demonstrationen<br />

mit Tausenden Beteiligten. Der Höhepunkt<br />

(B)<br />

Wir wissen, dass nicht alles erlittene Unrecht ungeschehen<br />

gemacht werden kann; ein hundertprozentiger<br />

Ausgleich ist in diesem Leben wohl nicht möglich. Wir<br />

haben aber die Aufgabe, nicht nachzulassen in dem Bemühen,<br />

den tatsächlichen Ausgleich zu hinterfragen und<br />

zu verbessern.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />

war jedoch der Demonstrationszug, der von den Bauarbeitern<br />

der Stalinallee in Ostberlin ausging und von Sowjetpanzern<br />

niedergewalzt wurde. Für die für Freiheit<br />

und Demokratie streikenden Bauarbeiter der Stalinallee,<br />

die Stahlarbeiter von Hennigsdorf und die anderen<br />

Demonstranten verband sich mit ihrer Auflehnung gegen<br />

das politische System in der DDR der Ruf nach der<br />

deutschen Einheit.<br />

(D)<br />

Dazu gehören ideelle Gesten und materielle Leistungen.<br />

Im ersten Punkt sind wir uns mit der Regierungskoalition<br />

wohl einig, im zweiten bisher leider nicht. Wir müssen<br />

mehr für die Opfer der SED-Diktatur tun. Der heutige<br />

Gedenktag erinnert uns auch an die Verpflichtung,<br />

Viele haben für ihren mutigen Einsatz für Freiheit und<br />

Demokratie schwer bezahlen müssen. Sie wurden eingesperrt,<br />

lange beruflich benachteiligt oder durch den Waffeneinsatz<br />

getötet. Ihnen allen gilt unser Respekt und unsere<br />

Achtung.<br />

zur historischen Aufarbeitung beizutragen und die Verantwortung<br />

für die Gegenwart zu übernehmen.<br />

Der Volksaufstand am 17. Juni in Ostberlin und in vielen<br />

anderen Städten der DDR endete tragisch. Dennoch:<br />

Ich will es so tun: Freie Wahlen, sagte ich, lautete<br />

damals eine Forderung. Sie sind seit 14 Jahren im vereinten<br />

Deutschland für alle Menschen erreicht. Bei der<br />

heutigen Bekanntgabe des amtlichen Ergebnisses der<br />

Kommunalwahlen vom letzten Sonntag müssen wir feststellen,<br />

dass rund die Hälfte der Wahlberechtigten von<br />

ihrem Wahlrecht aktuell leider keinen Gebrauch gemacht<br />

hat. Das Recht auf freie Wahlen schließt wohl<br />

auch das Recht, nicht wählen zu gehen, ein. Aber was ist<br />

das für ein Signal? Die Geschichte lehrt uns, solche Signale<br />

sehr ernst zu nehmen. Auch das ist ein Vermächt-<br />

Das Vermächtnis der mutigen Frauen und Männer ist erfüllt.<br />

Die friedliche Revolution 1989 in der DDR und<br />

die Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober<br />

1990 stehen in einem geschichtlichen Kontext mit dem<br />

17. Juni 1953. Für uns alle bleibt es Verpflichtung, die<br />

Ereignisse des 17. Juni im Geschichtsbewusstsein unseres<br />

gesamten Volkes lebendig zu halten. Daraus erwächst<br />

für uns auch die Verantwortung, Freiheit und Demokratie<br />

zu verteidigen. Diese Lehre aus unserer<br />

jüngsten deutschen Geschichte müssen wir an die folgenden<br />

Generationen weitergeben.<br />

nis der Frauen und Männer des 17. Juni an uns alle. Gegenüber den Opfern der SED-Diktatur trägt die Po-<br />

Wir bekunden allen Opfern gegenüber unseren ehrlichen<br />

Respekt und unsere Dankbarkeit für ihren Mut und<br />

setzen uns unvoreingenommen und unbürokratisch immer<br />

wieder für eine bessere Entschädigung ein, bis sie<br />

uns wirklich gelungen ist.<br />

litik in Deutschland Verantwortung. Dazu gehört, sie, soweit<br />

es geht, von den Folgen der politischen Verfolgung<br />

zu befreien. Der Gesetzgeber hat diese Aufgabe nach der<br />

Wiedervereinigung angepackt. Bereits die demokratisch<br />

gewählte letzte Volkskammer hat sich mit diesem Thema<br />

beschäftigt. Wir haben Rehabilitierungsgesetze verab-<br />

Ich danke Ihnen.<br />

schiedet, nach denen die strafrechtlichen Unrechtsmaßnahmen<br />

aufgehoben und Verfolgte entschädigt werden<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) können. Eine Rehabilitierung war und ist ebenso für im

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