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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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DANIEL KEIL<br />

<strong>Krise</strong>nkonstellationen<br />

Überlegungen zum Zusammenhang von <strong>Krise</strong><br />

und gesellschaftlicher Ausgrenzung 1<br />

Seit <strong>der</strong> <strong>Krise</strong> des Fordismus scheint sich keine länger andauernde Stabilität <strong>der</strong> Ökonomie<br />

mehr einzustellen. Der Fordismus bewahrheitet sich hinsichtlich seiner Stabilität als historische<br />

Ausnahmeperiode: als Ausdruck einer spezifisch historischen Konstellation, die häufig als<br />

Beleg für das prinzipielle Funktionieren des Kapitalismus herangezogen wird. Die blinden Versuche,<br />

die einzelnen <strong>Krise</strong>nsymptome zu bearbeiten und damit die <strong>Krise</strong> zu überwinden, scheiterten<br />

allerdings. We<strong>der</strong> <strong>der</strong> Begriff des Postfordismus noch <strong>der</strong> des Neoliberalismus bezeichnen<br />

längere Phasen anhalten<strong>der</strong> Stabilität. Eher das Gegenteil ist <strong>der</strong> Fall: Inzwischen wird auch<br />

<strong>der</strong> Begriff des Neoliberalismus wie<strong>der</strong> infrage gestellt. 2 Dies korrespondiert mit <strong>der</strong> Interpretation<br />

<strong>der</strong> gegenwärtigen <strong>Krise</strong> als Strukturkrise. Sie ist im Vergleich zu konjunkturellen <strong>Krise</strong>n<br />

vor allem als »historische Zäsur« zu verstehen, »weil eine <strong>Krise</strong>nüberwindung innerhalb des<br />

einst hegemonialen Paradigmas, <strong>der</strong> geronnenen Strukturen <strong>der</strong> Akkumulation und <strong>der</strong> institutionellen<br />

Formen <strong>der</strong> Bearbeitung des Klassenkonflikts nicht mehr möglich ist«. 3 Die Bearbeitung<br />

solcher Strukturkrisen ist als Suchprozess zu begreifen, <strong>der</strong> ökonomische, politische, institutionelle<br />

und ideologische Umbrüche beinhaltet. Jene Umbrüche sind beispielsweise in<br />

Transformationen des Staates zu sehen o<strong>der</strong> in verän<strong>der</strong>ten Arbeitsverhältnissen. Zugleich lassen<br />

sich gerade in Deutschland zu diesem Suchprozess vielfältige Debatten um nationale Identität<br />

wie auch verstärkte und sich transformierende Muster gesellschaftlicher Ausgrenzung feststellen.<br />

Insofern liegt es nahe, einen Zusammenhang zwischen <strong>Krise</strong> und gesellschaftlicher<br />

Ausgrenzung – in Form rassistischer und antisemitischer Muster – zu vermuten.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Forschung zu Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit wird in<br />

<strong>der</strong> Erklärung ein solcher Zusammenhang über das Deprivationskonzept hergestellt. 4 Als exemplarisch<br />

für eine solche Konzeption kann <strong>der</strong> Ansatz <strong>der</strong> Heitmeyer-Studie zu »Gruppenbezogener<br />

Menschenfeindlichkeit« gelten. 5 Zugrunde liegt <strong>der</strong> Gedanke, dass gesellschaftliche<br />

Desintegration in drei Dimensionen beobachtbar ist: in <strong>der</strong> sozial-strukturellen, <strong>der</strong><br />

1 Für kritische Kommentare danke ich Charly Außerhalb.<br />

2 Vgl. Joachim Hirsch: Weltwirtschaftskrise 2.0 o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zusammenbruch des neoliberalen Finanzkapitalismus<br />

(2008), in: www.links-netz.de (23.3.10).<br />

3 Bernd Röttger: <strong>Krise</strong> des Kapitalismus – historische Perspektiven, in: Das Argument, Zeitschrift für Philosophie<br />

und Sozialwissenschaften, Jg. 51, Heft 5, 2009, S. 758-766; S. 758.<br />

4 Auch wenn es kein einheitliches Deprivationskonzept gibt, so wird doch die grundsätzliche Annahme geteilt. Eine<br />

Übersicht über solche Konzepte bieten Susanne Rippl, Dirk Baier: Das Deprivationskonzept in <strong>der</strong> Rechtsextremismusforschung.<br />

Eine vergleichende Analyse, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg.<br />

57, Heft 4, Köln 2005, S. 644-666.<br />

5 Wilhelm Heitmeyer (Hg.): Deutsche Zustände, Folge 1, Frankfurt am Main 2002, S. 71-82.<br />

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