30.12.2012 Aufrufe

Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ökonom Knut Wiksell den Zusammenhang von Geldmenge, Zinsen und Preisniveau. Für<br />

ihn ist Wirtschaft eine »Ansammlung vornehmlich über Geldpolitik steuerbarer Prozesse«.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> <strong>Krise</strong>n erkennt er durchaus, dass die reale Bewegung <strong>der</strong> Erneuerungs- und<br />

Akkumulationsprozesse etwas mit den Ursachen von <strong>Krise</strong>n zu tun hat. Dabei betont er die<br />

Rolle des Kredites und entsprechend <strong>der</strong> Regulierung durch die Bankenpolitik. 48 Letzteres<br />

findet sich auch in den Konzepten monetärer Konjunkturpolitik, die von Ludwig Mises und<br />

Friedrich A. Hayek Ende <strong>der</strong> 1920er Jahre als »monetäre Überinvestitionstheorie« entwickelt<br />

wurden. 49 Überlegungen und Empfehlungen zur Wahrung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes<br />

werden in dieser Zeit zu prägenden Denkrichtungen, die <strong>Krise</strong>nverhin<strong>der</strong>ung zum<br />

Gegenstand haben. Auch die von Finn E. Kydland und Edward C. Prescott begründete Real-<br />

Bussiness-Cycles-Theory o<strong>der</strong> die Auffassungen von Ben Bernanke liegen in dieser Tradition.<br />

Regulierung über Geldpolitik ist die im neoliberalen Ansatz in begrenztem Maße überhaupt<br />

zulässige Form von Regulierung.<br />

Sieht man von Schumpeter ab, ist das bürgerliche Denken zur <strong>Krise</strong>nfrage durch das<br />

Dogma <strong>der</strong> exogenen Ursachen geprägt. Zum Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts gewinnt die Frage<br />

nach <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> offensichtlichen Einflussfaktoren (Geld, Bankensystem etc.) wachsendes<br />

Gewicht. Insofern ist die Entwicklung <strong>der</strong> Konjunktur- bzw. krisentheoretischen Vorstellungen<br />

eng mit <strong>der</strong> wachsenden Rolle des Staates, aber auch mit <strong>der</strong> fortschreitenden Entwicklung<br />

von Großkonzernen im Industrie-, Transport- und Finanzsektor verbunden. Aber<br />

erst die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 wird durch die Erklärungszwänge gegenüber<br />

<strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> und <strong>der</strong> pragmatisch getroffenen wirtschaftspolitischen Entscheidungen in dieser<br />

Linie <strong>der</strong> entscheidende Motor für neue Sichten. Noch um 1930 behauptete Adolf Weber,<br />

dass es <strong>Krise</strong>n nicht mehr geben werde, son<strong>der</strong>n bestenfalls Konjunkturschwankungen. 1936<br />

akzeptiert John M. Keynes die <strong>Krise</strong> als originäres Moment des Wirtschaftens im Kapitalismus.<br />

Der Markt findet, entgegen <strong>der</strong> früheren Lesart, nicht automatisch zum Gleichgewicht.<br />

Damit gewinnen Forschungen zur Regulierungsweise des Marktes für Jahrzehnte einen wachsenden<br />

Stellenwert. Im Mittelpunkt steht dabei die aktive Nachfragepolitik wie auch eine<br />

flexible Handhabung von Staatsverschuldung, gleichsam als Moment <strong>der</strong> Nachfrage, sowie<br />

Inflation. Keynes Blick auf die <strong>Krise</strong> eröffnet nach dem Zweiten Weltkrieg davon ausgehend<br />

Berührungspunkte mit sozialdemokratisch-reformistischen und marxistischen Auffassungen,<br />

etwa von <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> Marktmacht <strong>der</strong> Arbeiterinnen und Arbeiter, <strong>der</strong> Umverteilung<br />

und <strong>der</strong> Wirtschaftsdemokratie auf <strong>der</strong> einen wie auch neoklassischen Ansätzen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite.<br />

Neben dem etwa durch Milton Friedman und Friedrich A. Hayek repräsentierten angelsächsischen<br />

Neoliberalismus entwickelt sich vor allem in Deutschland beginnend in den spä-<br />

48 Vgl. z. B. Knut Wicksell: Vorlesungen über Nationalökonomie auf Grundlage des Marginalprinzipes, Theoretischer<br />

Teil, Zweiter Band: Geld und Kredit, Jena 1922, S. 241 ff.<br />

49 Ludwig von Mises: Geldwertstabilität und Konjunkturpolitik, Jena 1928, S. 45.<br />

60

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!